Schleswig-Holsteins Landesregierung will das neunjährige Abitur wieder einführen. Die Schulleitungen der Gymnasien kritisieren den Vorschlag.
Stormarn/Segeberg. In Schleswig-Holsteins Gymnasien wächst der Ärger über die Schulpläne der schwarz-gelben Landesregierung . Während der Landtag in Kiel heute über den Schulgesetzentwurf des Kabinetts berät, sehen die Schulleitungen eine neue Unruhewelle auf ihre Schulen zurollen.
Die Gesetzesnovelle sieht unter anderem vor, den Gymnasien die Wahl zu lassen, ob sie ihren Schülern künftig wieder den neunjährigen Weg zu Abitur anbieten. Und das gerade einmal zwei Jahre, nachdem die damalige schwarz-rote Regierung den Weg zum Abitur an den Gymnasien von neun Jahren (G9) auf acht Jahre (G8) verkürzt hat. Die Schulen haben seitdem mit allen Kräften - teils unter Protest der Eltern - an der Umsetzung des sogenannten Turbo-Abis gearbeitet. Nun hat Bildungsminister Ekkehard Klug schon wieder eine Kehrtwende eingeläutet. Die Gymnasien sollen wahlweise G8, G9 oder beides anbieten können.
"Wir spüren eine furchtbare Verunsicherung", beschreibt Schulleiter Bernd Flegel die Stimmung am Theodor-Mommsen-Gymnasium in Bad Oldesloe (Kreis Stormarn). "Schulleitung, Lehrer und Eltern haben nach langen Diskussionen zuletzt gemeinsam am G8-Strang gezogen. Jetzt geht alles von vorne los."
Von Verdruss spricht Reinhard Redemund, Chef des Gymnasiums Kaltenkirchen (Kreis Segeberg). "Wir haben mit den Kollegen schulinterne Fachlehrpläne so entwickelt, dass die Schulzeit für unsere Kinder lebbar ist und sie nicht überfordert. Das jetzt alles zurückzudrehen, wäre enorm mühselig." "Der Entwurf gehört als Papiermüll in die Blaue Tonne", kommentiert Matthias Heidn gestern die Pläne der Landesregierung. "Er ist rückwärtsgewandt und konfus", so der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW). In der Frage G8 oder G9 drohten unnötige Auseinandersetzungen an den Schulen. Außerdem erschwere die Entscheidungsfreiheit Umzüge innerhalb Schleswig-Holsteins. "Für Kinder auf einem Gymnasium wird ein Umzug zu einer Hürde. Was soll denn mit dem G9-Kind passieren, das von Plön nach Niebüll zur G8-Schule zieht?", fragt Matthias Heidn. Eine klare Antwort kann das Bildungsministerium darauf nicht geben. "Es ist kein Problem von G8 zu G9 oder umgekehrt zu wechseln", sagt Sprecherin Patricia Zimnik. In welchen Jahrgang das Kind eingestuft werde, sei eine Einzelfallentscheidung. Das Bildungsministerium in Kiel geht davon aus, dass Städte und Gemeinden als Schulträger dafür sorgen, G8 wie G9 im Angebot zu haben.
Ob ein Gymnasium künftig den kurzen oder langen Weg zum Abitur schlägt, sollen Schulträger, Schulleitungen und Schulkonferenzen entscheiden. Das letzte Wort hat das Ministerium. Dessen Zusage zur Rückkehr zum neunjährigen Abi ist an eine Bedingung geknüpft: "Für G9 gibt es weder mehr Lehrer noch mehr Räume. Die Gymnasien müssen mit den Ressourcen klarkommen, die sie haben", so Pressesprecher Thomas Schunck.
Die Schulleitungen verlangen klare Verhältnisse: "Neue Strukturen müssen sich entwickeln. Das geht nicht, wenn wir heute einen Schritt nach vorne gehen und morgen drei zurückmachen müssen", kritisiert Gerhard Frische vom Gymnasium Harksheide in Segeberg. Und dann spricht der Schulleiter der Mehrheit seiner Kollegen aus dem Herzen: "Lassen Sie uns in Ruhe arbeiten."