Besonders Gemeinschaftsschulen fühlen sich durch Bildungspolitik der CDU-FDP-Landesregierung benachteiligt
Wedel. Vor den freundlichen Schüler-Vorführungen hörte der Minister hinter verschlossenen Türen härtere Töne. "Ja, es gab kritische Einwände", bestätigte Ekkehard Klug, Ressortchef für Bildung im Lande Schleswig-Holstein, nach einem Gespräch mit Lehrern und Elternvertretern an der Integrierten Gesamtschule, jetzt Gemeinschaftsschule Wedel. Klug war gestern anlässlich des Europa-Tages an die Europaschule am Wedeler Rosengarten gekommen, um sich über die Aktivitäten zu informieren - gute Gelegenheit für das Lehrer-Kollegium und Elternvertreter, dem Chef mal kundzutun, wie es im wirklichen Leben an der Basis aussieht.
Insbesondere die Gemeinschaftsschulen leiden unter der Bildungspolitik aus Kiel, kritisiert auch der Landeselternbeirat für Gesamt- und Gemeinschaftsschulen. Abgelehnt wird der neuerliche Schwenk des Landes Schleswig-Holstein, was die Zahl der Schuljahre bis zum Abitur angeht. War es bislang Linie gewesen, dass die Gymnasien in acht und die Gemeinschaftsschulen in neun Jahren zum Abitur führen sollten, so sollen nach Elternprotesten auch Gymnasien den Kindern wieder neun Jahre Zeit geben und somit mehr Ressourcen - was eventuell zulasten der Gemeinschaftsschulen geht.
Klug: "Für G 8 haben wir acht zusätzliche Wochenstunden in den Hauptfächern genehmigt, Lerninhalte und Lehrpläne werden gestrafft. Aber es war Elternwunsch, dass an Gymnasien neben dieser beschleunigten Ausbildung auch ein G-9-Abitur angeboten wird." Argumente, dass dieser Wettbewerb zulasten der Gemeinschaftsschulen-Oberstufe geht, hält er für "vorgeschoben". Schließlich habe es früher generell an allen Schulen Abi in G-9-Form gegeben.
Kritik erhielt er außerdem für die Planungen zur Anzahl der Pflichtstunden. Während Lehrer an Gymnasien "nur" 25,5 Stunden Unterricht pro Woche halten müssen, haben Gymnasiallehrer an Gesamtschulen 27 Stunden vor den Klassen zu stehen, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass sie zu mindestens 30 Prozent in der Oberstufe ihrer Schule eingesetzt sind. Nur dann gilt für sie ebenfalls die 25,5-Stunden-Regel.
Eine Ungleichbehandlung, die Wedels Gemeinschaftsschulleiter Antonius Soest nicht unkommentiert stehen lassen will. Er hatte dazu in einem Elternbrief formuliert: "Der Zeitbedarf der Gymnasiallehrkräfte an Gymnasien soll angeblich größer sein als an unserer Schule. Wenn das stimmen würde: Was ist dann mit den Gymnasialschülern unserer Schule? Sie machen mehr als ein Drittel aus. Wir haben den Eindruck, dass weder die Lehrkräfte noch die Schüler unserer Schule die Wertschätzung des Ministeriums haben."
Minister lobt das Engagement der Wedeler Gemeinschaftsschüler
Minister Klug verteidigte seine Reformvorschläge. Er argumentierte, dass Schleswig-Holstein im Bundesvergleich im Mittel liege und sich als "armes Bundesland nicht mehr leisten" könne. Auch kleinere Klassen, seien "wünschenswert, jedoch abhängig vom Personalaufwand."
Nach diesen ernüchternden und eher traurigen Worten für Lehrer und Schüler gab es vom Minister zumindest sehr viel Lob für das Engagement. In einer kleinen Show zeigten die Jugendlichen, dass Globalisierung sich auch in der Schülerschaft widerspiegelt: Hendrik mit seinen holländischen Wurzeln und Emmely aus Ghana, Jakob aus Russland und Tobias mit rumänischen Vorfahren und viele andere machten deutlich, dass die Welt zusammenwächst.
"Toll" fand der Minister die Vorführungen und Beiträge, in denen die Schüler Stellung gegen die Spaßgesellschaft und für Solidarität und Integration bezogen, "toll" auch ein Mosaik, das kleine Klassenfotos zu einem riesigen Menschenketten-Motiv vor Europaflagge komponiert und wiederum "toll", dass es ein Projekt gibt, in denen Jugendliche aus dem elften Jahrgang Fünftklässer unterrichten. Pflichtstunden spielten diesmal keine Rolle.