Niedersachsens Ministerpräsident sei sich in der Affäre um Hilfen für CDU-Wahlkämpfe keiner Schuld bewusst. Doch die Ermittlungen gehen weiter.
Wolfsburg. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat ihre Ermittlungen im Wolfsburger Stadtwerke-Skandal ausgeweitet. Inzwischen werde zusätzlich gegen den Wolfsburger Oberbürgermeister Rolf Schnellecke (CDU) wegen des Verdachtes der Vorteilsannahme ermittelt, sagte am Freitag ein Sprecher der Ermittlungsbehörde. Die Stadtwerke Wolfsburg beauftragten eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Untersuchung der Affäre um möglicherweise illegale Unterstützung von CDU-Wahlkämpfen. Der Stadtwerke-Aufsichtsrat beriet zudem über die Zukunft der beiden Chefs des kommunalen Unternehmens, traf aber noch keine Entscheidungen.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat nach eigenen Angaben neben dem beurlaubten Stadtwerke-Chef Markus Karp und dem ehemaligen Stadtwerke-Sprecher Maik Nahrstedt vor einigen Tagen Oberbürgermeister Schnellecke als dritten Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren eingetragen. „Es besteht der Anfangsverdacht, dass Herr Schnellecke als Amtsträger von den Stadtwerken Leistungen für seinen Wahlkampf entgegengenommen hat“, sagte Oberstaatsanwalt Joachim Geyer.
Wegen der Affäre hatte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag insgesamt 16 Gebäude in Raum Wolfsburg und in Hannover durchsucht, darunter die niedersächsische CDU-Zentrale. Ex-Stadtwerke-Sprecher Nahrstedt behauptet, im Landtagswahlkampf 2003 als Mitglied des Team des damaligen CDU-Wahlkampfmanagers Karp während seiner Stadtwerke-Arbeitszeit und mithilfe von Dienstwagen und -notebook für die CDU gearbeitet zu haben. Nach der Niedersachsenwahl 2003 wurde der heutige Bundespräsident Christian Wulff erstmals zum Ministerpräsidenten gewählt.
Der niedersächische Ministerpräsident David McAllister, der 2003 als Generalsekretär der CDU Niedersachsen für den Wahlkampf mitverantwortlich war, wies alle Vorwürfe zurück. „Wir haben nicht zu verbergen; denn aus unserer Sicht ist an den Vorwürfen nichts dran“, sagte der CDU-Politiker der „Mitteldeutschen Zeitung“. Man sei stets davon ausgegangen, dass Stadtwerke-Sprecher Nahrstedt ehrenamtlich für den CDU-Wahlkampf tätig gewesen sei.
Der heutige Generalsekretär der Landes-CDU, Ulf Thiele, betonte zudem, sein Amtsvorgänger McAllister habe erst in der zweiten Phase die Verantwortung für den Landtagswahlkampf 2003 übernommen. Die Korruptionsvorwürfe bezögen sich auf den Zeitraum davor, sagte er dem NDR Fernsehen. Thiele wies auch Vorwürfe gegen den damaligen CDU-Pressepsprecher und heutigen Sprecher im Bundespräsidialamt Olaf Glaeseker zurück. Dass ein Pressesprecher mal eine E-Mail an einen ehrenamtlichen Wahlkampfhelfer sende, sei normal. In einer E-Mail an Stadtwerke-Sprecher Nahrstedt hatte Glaeseker im März 2002 um die Überarbeitung von Entwürfen „zweier Entschließungsanträge sowie zweier dazugehöriger Entwürfe von Musterpresseerklärungen“ gebeten. Die E-Mail liegt dapd vor.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, forderte Ministerpräsident McAllister auf, die Vorwürfe selbst umfassend aufzuklären. „Sollten die Vorwürfe zutreffen, schadet die zwielichtige Wahlkampfaffäre der CDU in Niedersachsen unserer gesamten Parteiendemokratie“, sagte er. Auch die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, verlangte von McAllister, „zur restlosen Aufklärung beizutragen, statt weiter zu mauern“.
Die Wolfsburger Stadtwerke schlossen unterdessen mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO einen Vertrag über die Untersuchung der Affäre ab. Alle Stadtwerke-Mitarbeiter seien gehalten, mit den Wirtschaftsprüfern offen zusammenzuarbeiten, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Kontrollgremiums, Hans-Georg Bachmann (SPD). Das Gremium habe zudem über eine Beurlaubung des Stadtwerke-Vorstands Torsten Hasenpflug gesprochen und das weitere Vorgehen in der Personalangelegenheit Karp erörtert, sagte er. Personalentscheidungen konnte der Aufsichtsrat nicht treffen, weil diese nicht auf der Tagesordnung standen.
Am kommenden Mittwoch will das Kontrollgremium zu einer erneuten Sitzung zusammentreffen. Wie aus Stadtwerke-Kreisen verlautet, sollen dann die Einsetzung eines Interimsvorstandes und die Ablösung von Hasenpflug und Karp auf der Agenda stehen. Bachmann, der auch Vorsitzender der Wolfsburger SPD-Ratsfraktion ist, bescheinigte nach der Sitzung Oberbürgermeister Schnellecke konstruktiv an der Aufklärung der Affäre mitzuarbeiten.
Bei den Durchsuchungen am Donnerstag wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft Computer, Datenträger und zahlreiche Akten beschlagnahmt. Die Auswertung des Beweismaterials habe aber erst begonnen, sagte Oberstaatsanwalt Geyer. In der Affäre ermittele man gegen Karp und Nahrstedt wegen des Verdachts der Untreue und gegen Karp zusätzlich wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung. Möglicher Tatzeitraum seien verschiedene Wahlkämpfe in den Jahren 2000 bis 2010.