Dem Ex-Vormund wird vorgeworfen, Kevin nicht rechtzeitig aus der Wohnung des Ziehvaters geholt und die Akten zu spät gelesen zu haben.

Bremen. Der Prozess um den tragischen Tod des kleinen Kevin aus Bremen steht möglicherweise vor einer Entscheidung. Das Landgericht bot an, das Verfahren gegen den früheren Amtsvormund des Jungen wegen fahrlässiger Tötung gegen eine Geldauflage einzustellen. Nun müssten Anklage und Verteidigung noch zustimmen, bestätigte am Donnerstag ein Gerichtssprecher Medienberichte. Beide Seiten hätten sich noch nicht geäußert. Am fünften Prozesstag am Mittwoch hatte den Berichten zufolge eine frühere Kollegin des Angeklagten über die immense Arbeitsbelastung der Amtsvormünder zur Zeit von Kevins Tod gesprochen und damit die Angaben des Beschuldigten bestätigt.

Dem früheren Vormund wirft die Anklage vor, Kevin nicht rechtzeitig aus der Wohnung des Ziehvaters geholt und auch die nötigen Akten nicht rechtzeitig gelesen zu haben. Die Polizei wollte das schwer misshandelte Kind am 10. Oktober 2006 aus der Wohnung des Ziehvaters holen und entdeckte die Leiche eingewickelt in Säcke im Kühlschrank. Der drogensüchtige Ziehvater wurde im Juni 2008 wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Misshandlung zu zehn Jahren Haft und der Einweisung in eine Entziehungsanstalt verurteilt. Der Fall ist in der Hansestadt Sinnbild für staatliches Versagen geworden.

Sollte die Verteidigung weiter mit dem Ziel eines Freispruchs verhandeln und die Staatsanwaltschaft auf ihren Vorwürfen bestehen, wird aus der Einstellung des Verfahrens nichts. Diese Möglichkeit ist im Artikel 153a des Strafgesetzbuches vorgesehen, wenn alle Prozessparteien einverstanden sind. Sie bedeutet jedoch keinen Freispruch.

Sollte der Prozess gegen den Amtsvormund eingestellt werden, würde das nicht unbedingt das Ende der juristischen Aufarbeitung des Martyriums des Jungen bedeuten. In dem aktuellen zweiten Verfahren ist auch der für Kevin damals verantwortlich Sozialarbeiter angeklagt, allerdings krankheitsbedingt verhandlungsunfähig. Die meisten Vorwürfe der Anklage richten sich gegen ihn. Ein späteres Verfahren ist nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht auszuschließen. Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.