Der Teppich ist mit 377.000 Quadratkilometern Fläche etwa so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Warnschilder an Stränden auf Usedom.

Stralsund. Ein riesiger Blaualgen -Film, auf einer Fläche etwa so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, bedeckt nach Angaben des Umweltverbandes WWF die Ostsee. Mit einer Größe von 377.000 Quadratkilometern sei er der größte, der seit Jahren auf dem Binnenmeer gesichtet wurde, sagte der Leiter des WWF-Ostseebüros, Jochen Lamp. Der Algenfilm zieht sich laut WWF von Finnland bis zur Pommerschen Bucht vor Rügen, hat nach Angaben von Behörden aber noch nicht die deutschen Badestrände erreicht. Ursachen für die explosionsartige Ausbreitung seien die Hitze, wenig Wind und der hohe Nährstoffgehalt der Ostsee. Nach Angaben Lamps verschärft sich das Sauerstoffproblem in der Ostsee nun noch.

Für Badegäste an den Stränden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern besteht nach Angaben der Behörden noch kein Grund zur Besorgnis. Das wäre nur bei anhaltendem Ostwind der Fall, sagte ein Sprecher des Kieler Umweltministeriums am Mittwoch. Der Deutsche Wetterdienst sagt für die nächsten Tage von Süd auf West, später auf Nord drehende Winde vorher. Auf der Haffseite der Insel Usedom waren am Wochenende an vier Badestellen Warnschilder wegen der Blaualgen aufgestellt worden.

Nach Angaben des Instituts für Ostseeforschung in Rostock-Warnemünde (IOW) sind von den Blaualgen derzeit vor allem die nördliche und zentrale Ostsee betroffen. Das betrifft Gebiete vor Finnland, Schweden, Russland und den baltischen Staaten bis nach Bornholm. Die Angaben des WWF zum Ausmaß der Algenblüte konnte das Institut nicht bestätigen. „Die Satellitenbilder werden derzeit ausgewertet“, sagte der Mikrobiologe Klaus Jürgens. „Blaualgen breiten sich seit Jahrzehnten jeden Sommer in der Ostsee aus.“ Grund sei die starke Belastung der Ostsee mit Phosphaten, vor allem durch die Landwirtschaft.

Bei der derzeit ruhigen See seien die Blaualgen besonders gut zu sehen. Ob es aber mehr Algen als in den Vorjahren sind, sei noch nicht erwiesen. Bei Sturm könnten die Teppiche schnell verschwinden, trotzdem seien die Algen dann immer noch da. Dass sich der Algenfilm vor allem in der Mitte der Ostsee bilde, hänge mit der dort stabilen thermischen Schichtung der Wassersäule zusammen, erklärte Jürgens.

Das Landesamt für Umwelt, Natur und Geologie in Mecklenburg-Vorpommern will am Donnerstag ein Beobachtungsschiff vor die deutsche Küste schicken, um Wasserproben zu nehmen. Ergebnisse sollen am Freitag vorliegen. Ersten Informationen zufolge handelt es sich um die für die Ostsee typischen Arten anabaena, nodularia und spumigena. „Diese Arten sind potenziell toxisch und können bei Kontakt Hautreizungen hervorrufen“, sagte die Leiterin der Abteilung Umweltanalytik, Katrin Stein. Zudem könne es beim Verschlucken größerer Mengen zu Magen-Darm-Problemen kommen. „Wirklich gefährdet sind dabei vor allem Tiere, die belastetes Wasser trinken.“ Trotzdem empfehlen die Behörden, bei sichtbarem Blaualgenbefall nicht zu baden.

Der WWF warf den Ostseeanrainer-Staaten angesichts der Algenexplosion Halbherzigkeit im Umweltschutz vor. Zum einen beschlössen die Staaten ehrgeizige Ziele zum Stopp des Nährstoffeintrags, heizten die Überdüngung aber weiter an. So sei in Schweden die Düngemittelsteuer abgeschafft worden. In Mecklenburg- Vorpommern wurde das Landeswassergesetz geändert. Statt bis auf sieben Meter Abstand dürfe jetzt bis auf einen Meter an Gräben und Bäche heran gedüngt und gespritzt werden, sagte Lamp. Über diese Gewässer gelangten die Nährstoffe ins Meer.