Niedersachsens Finanzminister Möllring (CDU) kauft die umstrittene CD mit Daten von 20.000 Menschen, die den Staat betrügen.
Hannover. Statt erst die FDP zu fragen, hat der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) den Preis gedrückt und dann sofort zugegriffen: Für 185.000 Euro kaufte er eine CD mit den Daten von 20.000 möglichen Steuerbetrügern mit Konten in der Schweiz. Ursprünglich hatte der Verkäufer, der im Ausland sitzt, 500.000 Euro haben wollen.
Düpiert hat Möllring damit nicht nur den eigenen Koalitionspartner FDP in Niedersachsen, sondern auch die Landesregierung von Baden-Württemberg. Die hatte unter dem Druck der dort ebenfalls mitregierenden Liberalen den gemeinsamen Kauf mit dem Bundesfinanzministerium abgelehnt.
Ein Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag von Hannover machte gestern keinen Hehl aus der Enttäuschung über Möllrings Alleingang: "Wir sind überrascht und wünschen uns für die Zukunft, dass das Kabinett in solche Entscheidungen einbezogen wird."
Die FDP hatte in der Vergangenheit Bedenken geltend gemacht, ob der Staat mit dem Kauf solcher CDs nicht in die Rolle eines Hehlers gerate. Der FDP-Sprecher machte aber auch deutlich, da die CD nun gekauft sei, müsse sie auch ausgewertet werden: "Auch wir sind für Steuergerechtigkeit."
Möllring selbst beharrt darauf, dass solche Entscheidungen nicht ins Kabinett gehören. Er sagte dem Abendblatt: "Ich muss niemand fragen, das ist meine Ressortverantwortung, ich bin für Steuererhebung und Steuerfahndung zuständig, und da tue ich meine Pflicht. Das wird nicht auf offener Bühne diskutiert, sondern das wird getan. Wenn es Daten gibt, die den Verdacht von Steuerhinterziehung begründen, dann muss ich dem nachgehen." Wenn eine solche CD im Inland auftauche, so Möllrings Argumentation, würde sie von der Finanzverwaltung beschlagnahmt. Weil aber der Besitzer im Ausland war, sei die Frage klar gewesen: "Lässt man 20 000 potenzielle Steuerhinterzieher laufen oder greift man zu?"
Gekauft hat er die CD in Absprache mit der Bundesregierung, die auch die Hälfte der Kosten trägt. Details über den Verkäufer der CD mag er nicht sagen, aber er bestätigt, dass die Ursprungsforderung eine halbe Million Euro betragen hatte. Vorteil des Ministers bei den Verhandlungen: "Das ist doch ganz einfach, weil der Einzige, der mit den Daten etwas anfangen kann, der deutsche Staat ist. Für alle anderen ist es Elektronikschrott, mehr nicht. So kann man sich auf einen vernünftigen Preis einigen", sagte Möllring dem Abendblatt.
Unter dem Eindruck einer von Nordrhein-Westfalen gekauften CD mit Angaben über mögliche Steuerbetrüger haben sich in den vergangenen Monaten bundesweit Tausende von Steuerbürgern selbst angezeigt. Aber Möllring bestätigt, dass es dennoch unverändert ein großes Dunkelfeld gibt, viele Steuersünder regelrecht pokern: "Ich kann den Leuten nur raten, in sich zu gehen und reinen Tisch zu machen, solange ihre Daten noch nicht auf dem Tisch liegen." Mindestens für eine Gruppe sei das aber nicht mehr möglich: "Für die 20 000 auf der CD, wenn sie denn Steuern hinterzogen haben, ist es seit gestern Nachmittag zu spät."
Aus den Steuernachforderungen allein auf Basis der jetzt gekauften CD geht Möllring von Mehreinnahmen für den Fiskus in zweistelliger Millionenhöhe aus. Er rechnet vor, dass Niedersachsen dafür am Ende nur rund 9000 Euro aufbringen muss, weil alle Bundesländer sich die Hälfte des Kaufpreises entsprechend ihrer Größe teilen. Die baden-württembergische Landesregierung wird auch zahlen und profitieren. Finanzminister Willi Stächele (CDU) will seine Steuerfahnder losschicken: "Ich habe keine Bedenken, auf die Daten zurückzugreifen, wenn es um deren Verwertung geht."
Mit dem Kauf von CDs folgt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble seinem sozialdemokratischen Vorgänger Peer Steinbrück. Und auch die niedersächsische SPD begrüßte gestern den Ankauf der CD ausdrücklich, aber sie forderte Möllring auch auf, die Steuerfahndung auszubauen: "Nachhaltiger wäre es, die Arbeitssituation der Finanzverwaltung zu verbessern, damit durch mehr und schärfe Prüfungen Steuerhinterzieher sogleich dingfest gemacht werden können."
Das aber will Möllring nicht gelten lassen: "Wir haben doch Handlungsfähigkeit gezeigt, außerdem können wir in der Schweiz gar nicht prüfen, wir müssten an der Grenze Halt machen."