Das SPD-Urgestein aus Ostfriesland wurde als Sprücheklopfer bekannt. Jetzt wird er zur Belastung für die Landespartei und verliert wohl seine letzten politischen Ämter.

Varel/Hannover. Bauernschlau, trinkkfest, spitzbübisch und nie um einen Spruch verlegen: Karl-Heinz Funke, der schillernde Bilderbuch-Ostfriese der SPD hat mit diesen Eigenschaften schon so manchen Skandal überstanden. Doch jetzt wird es eng für den 63-jährigen Ex-Bundeslandwirtschaftsminister. Er wird wohl alle verbliebenen politischen Ämter in seiner Heimatstadt Varel verlieren.

Dort, wo ihn eigentlich jeder "Kalle" nennt, geht es um seine sprichwörtliche Dickköpfigkeit - und natürlich um Geld. Mit zwei Jahren Verzögerung wurde bekannt, dass er sich als Vorsitzender des Öffentlich-Rechtlichen Wasserverbands OOWV seine Silberhochzeit mit 8000 Euro hat sponsern lassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue, im Raum steht, dass es fingierte Rechnungen über Bauleistungen gibt.

Das Sponsoring seiner Familienfeier nennt Funke selbst inzwischen "einen Fehler" und hat das Geld zurückgezahlt. Aber zum Entsetzen der Kreis- wie der Landespartei hat er zwar den OOWV-Vorsitz niedergelegt, ist aber nicht bereit, als Konsequenz seine kommunalpolitischen Ämter als Ratsherr in Varel und Vorsitzender des Kreistages von Ostfriesland aufzugeben. Gegenwärtig sagt Funke gar nichts mehr, aber der örtlichen Zeitung hat er zu Weihnachten noch eine Begründung geliefert. Diese Mandate, so seine Argumentation, habe er vom Wähler: "Darüber können andere nicht verfügen."

Für Bernd Köhler, damals Mitglied der SPD-Fraktion in Varel, hat die Malaise "schon 2005 angefangen". Da wehrte sich Funke mit Händen und Füßen gegen die Aufstellung von Gerd-Christian Wagner als SPD-Kandidat für das Bürgermeisteramt in Varel, mit 25 000 Einwohnern die größte Stadt im Landkreis. Aber erstmals konnte sich Funke nicht wie gewohnt durchsetzen, Wagner wurde nominiert und deklassierte in der sozialdemokratischen Hochburg Varel den CDU-Konkurrenten mit 55 zu 14 Prozent der Stimmen. Fortan gab es, so Köhler, immer wieder Streit in der SPD-Mehrheitsfraktion, im Dezember 2008 trauten sich dann mehrere Ratsherren sogar, bei einer eigentlich belanglosen Entscheidung gegen die eigene Fraktion zu stimmen. Die Fraktion schloss wenig später gleich sechs Aufmüpfige aus, verlor damit die absolute Mehrheit im Rat. Die Folge: CDU, Grüne, FDP und die sechs Aufmüpfigen wählten im Februar den langjährigen Ratsvorsitzenden Funke ab - Funke räumte später ein, auch er habe versehentlich für die eigene Abwahl gestimmt. Damals kamen rekordverdächtige 350 Bürger zur außerordentlichen Ratssitzung, um die Zeitenwende mitzuerleben.

Dass Funke viel erreicht hat für Ostfriesland, bestreitet auch Bernd Köhler nicht, der jetzt die sechsköpfige Fraktion Soziale Demokraten Varel (SDV) führt. Was ihn im Lauf der Jahre immer mehr geärgert und letztlich in die Opposition getrieben habe, sei Funkes Stil gewesen: "Er sagt: ,Nur was ich mache, ist richtig.'" Funkes Entschuldigung kann ihm nicht imponieren: "Man gewinnt den Eindruck, es geht dabei nicht darum, dass das raffgierige Kassieren der Fehler war, sondern das Erwischtwerden."

Das ist ihm nicht zum ersten Mal passiert: Sein politischer Karriereweg ist mit Skandälchen gepflastert. Der Lehrer und Bauer wurde 1990 niedersächsischer Landwirtschaftsminister im ersten Kabinett des SPD-Ministerpräsidenten Gerhard Schröder. Bereits vier Jahre später wurde er von Schröder kurzzeitig wegen offenkundiger Manipulation einer Spesenabrechnung suspendiert. 1998 stieg er dennoch zum Bundeslandwirtschaftsminister auf, musste aber 2001 gehen, weil sein Haus die BSE-Krise nicht in den Griff bekam. Für Schlagzeilen sorgte Funke auch mit verbalen Attacken auf Polizisten, Hofumbauten ohne Baugenehmigung und sexistischen Sprüchen, die sein Markenzeichen waren. "Oldenburger Butter", so sein Rat, "hilft dem Vater auf die Mutter." Oder auch: "Spargel behandelt man wie eine Frau, vorsichtig am Kopf anpacken und dann feinfühlig nach unten streicheln."

Geschadet hat derlei lange Zeit nicht. Eher genutzt. Und für Ostfriesland hat er unbestritten viel erreicht. "Bauernfänger" nannten sie ihn in der SPD in seinen Ministerjahren, weil er auch bei den Landwirten großes Ansehen genoss. Doch nun hat er es zu bunt getrieben. Der SPD-Kreisvorsitzende Olaf Lies hat Funke aufgefordert, alle seine Mandate aufzugeben. Und am Montag will die Kreistagsfraktion über einen Antrag auf Abwahl von Funke entscheiden. SPD-Fraktionschefin Ulrike Schlieper: "Ich hoffe, dass Karl-Heinz Funke uns die Schmach einer Abwahl erspart."

Darauf hofft auch die von personellen Querelen geplagte Landespartei. Landeschef Garrelt Duin hat Funke gestern indirekt aufgefordert, seine kommunalen Ämter aufzugeben. "Ich bin sicher, dass Karl-Heinz Funke die Größe haben wird, um die notwendigen Schritte zu tun, damit Schaden von der SPD und von seiner Person abgewendet wird", sagte er. Zuvor hatten sich alle Spitzengenossen um eine Aussage gedrückt. SPD-Landesgeschäftsführer Michael Rüter räumte ein, dass es empörte E-Mail-Schreiber gibt, die Funkes Rückzug fordern: "Aber es gibt auch Warnungen, nicht schäbig mit einem verdienten Mann umzugehen."