Über Stunden ging zwischen Hamburg und Berlin per Zug nichts mehr. Zehntausende waren davon betroffen. US-Botschafter musste aussteigen.
Hamburg/Boizenburg. Stundenlange Verspätungen, Zugausfälle und Streckensperrungen - auf den Bahnverbindungen zwischen Hamburg und Berlin und der Hansestadt und Hannover herrschten am Dienstag chaotische Zustände. Zehntausende Fahrgäste waren davon betroffen. Und es gab gleich mehrere Ursachen.
Auf dem Bahnhof Boizenburg (Mecklenburg-Vorpommern) auf der Strecke nach Berlin wurde gestern Morgen eine herrenlose schwarze Reisetasche auf dem Bahnsteig 1 entdeckt. Daraufhin haben Bahnmitarbeiter die Bundespolizei benachrichtigt - der Bahnhof wurde um 11.15 Uhr gesperrt. Teilweise mussten Züge, die bereits auf der Strecke unterwegs waren, an anderen Bahnhöfen anhalten. Die Fahrgäste wurden mit Bussen nach Hamburg beziehungsweise Berlin befördert. Auch der neue US-Botschafter Philip Dunton Murphy, der aus der Bundeshauptstadt kam, war davon betroffen. Er musste in Ludwigslust in ein Auto umsteigen und kam deshalb mit Verspätung in Hamburg an. Sein Antrittsbesuch bei Bürgermeister Ole von Beust (CDU) musste verschoben werden.
Nach dem Taschenfund auf dem Bahnsteig waren der Bahnhof Boizenburg und die beiden Gleise kurz nach 11 Uhr abgeriegelt worden. Die Fernzüge zwischen Berlin und Hamburg wurden zunächst über Salzwedel/Uelzen umgeleitet, bis auch dort nichts mehr ging, nachdem bei Lüneburg ein Mensch von einem Zug erfasst worden war. Erhebliche Verspätungen waren die Folge.
Von 15.45 Uhr an konnte der Verkehr wieder durch den Bahnhof Boizenburg rollen. Einer Bahnsprecherin zufolge mussten Reisende zwischen Hamburg und Berlin sowie Hamburg und Rostock aber noch bis in den Abend hinein Verspätungen in Kauf nehmen.
Unklar blieb, wem die Reisetasche gehörte, die für so viel Aufregung gesorgt hatte. Die Bundespolizei ermittelt weiter, um den Besitzer herauszufinden, sagte Perschall.
Nach der Sperrung des Bahnhofs Boizenburg mussten die Züge, die noch nicht auf der Strecke waren, dann über Lüneburg, Uelzen und Stendal umgeleitet werden: "Dadurch kam es für die Reisenden zu Verspätungen von einer Stunde und mehr", sagte eine Bahnsprecherin.
Doch am Nachmittag sollte es dann für die Zehntausenden Fahrgäste auf der viel befahrenen Strecke noch schlimmer kommen: Nachdem eine Person bei Lüneburg von einem Zug erfasst wurde, musste die Strecke gesperrt werden. Nun konnten die Reisenden auch nicht mehr über Lüneburg nach Berlin fahren. Die Strecke über Boizenburg war immer noch gesperrt.
"Es ging nichts mehr. Wir haben den Fahrgästen empfohlen, über Hannover zu fahren, doch das bedeutete einen stundenlangen Umweg", so die Bahnsprecherin. Aber auch auf der Strecke zwischen Hamburg und Hannover kam es nach dem Unglück bei Lüneburg am Nachmittag zu Verspätungen. Die Deutsche Bahn leitete ihren Fernverkehr über Rotenburg/Wümme um, die Metronom-Eisenbahngesellschaft strich einige Züge und richtete einen Notverkehr mit Bussen ein.
Zurück zur schwarzen Reisetasche in Boizenburg. Die Spezialisten des Munitionsbergungsdienstes Schwerin konnten laut Bundespolizei-Sprecher Stefan Perschall gegen 16 Uhr Entwarnung geben: "In der Reisetasche befanden sich nur Kleidungsstücke. Wir suchen jetzt nach dem Eigentümer, es gibt noch keine Hinweise", so Perschall. Ob der Taschenbesitzer mit einer Strafanzeige rechnen muss, konnte Perschall noch nicht sagen. Die Strecke zwischen Hamburg und Berlin konnte dann um 16 Uhr wieder freigegeben werden. Aber trotzdem kam es noch bis in die späten Abendstunden zu Verspätungen. Die Bahnsprecherin: "Wegen der Sperrung des Bahnhofs Boizenburg waren alleine 96 Züge, darunter viele ICE-Züge, betroffen."
Die verspäteten Bahnreisenden können übrigens kaum mit einer Entschädigung rechnen. "Die Bahn hat keine Schuld an den Verspätungen", sagte die Bahnsprecherin zur Begründung.