Kahlgeschorene Schädel, Tätowierungen am Hals oder verwegene Bärte und Pferdeschwanz: Die meisten Motorradrocker der berüchtigten „Hells Angels“, die am Montag gefesselt in den Gerichtssaal geführt werden, wirken furchteinflößend.

Hannover. Oder wollen wenigsten so aussehen. Als der Kronzeuge der Anklage eintritt, wird es still. Der schwarz gekleidete 32-Jährige - Typ Türsteher - erntet vernichtende Blicke. Der Aussteiger mit dem langen geflochtenen Zopf hatte ausgepackt, dass er im März 2006 mit 14 weiteren Bremer "Hells Angels" den verfeindeten Motorradclub "Bandidos" überfallen und fünf Mitglieder schwerst verletzt habe.

In den Augen seiner früheren "Brüder", wie sich die Clubkollegen nennen, ist er ein Verräter. Denn in der Szene, die teils der Organisierten Kriminalität zugerechnet wird, herrscht ein Kartell des Schweigens. Die Gefechte im an vielen Schauplätzen der Erde tobenden Bandenkrieg werden möglichst geheim ausgetragen. Darin geht es nach Überzeugung der Ermittler nicht nur um die Ehre, sondern auch um illegale Prostitution, Rauschgift und Waffenhandel.

Ein Opfer des Raubüberfalls auf das "Bandidos"-Vereinsheim bei Bremen ist für den gewaltsamen Tod eines Ibbenbürener Motorradhändlers verantwortlich. Motiv für den Mord war nach Überzeugung des Landgerichts Münster Rache für den Überfall, der nun in Hannover unter größten Sicherheitsvorkehrungen verhandelt wird. Mehr als ein Dutzend Polizeiwagen stehen vor dem Gebäude, auf den Gängen sind Polizisten mit Spürhunden unterwegs. "Wir können nicht ausschließen, dass Mitglieder der verfeindeten Motorradgruppen im Zuschauerraum sitzen", begründet die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Verden, Silke Streichsbier. An diesem Tag sind offenbar nur "Hells Angels" da. Blonde Frauen werfen den Angeklagten Handküsse zu, bullige Typen machen das Victory-Zeichen.

Aus Sicherheits- und Platzgründen - es gibt allein 17 Verteidiger für die 14 Angeklagten - wurde der Prozess nach Hannover verlegt. Die von Oberstaatsanwalt Hansjürgen Schulz verlesene Anklage klingt wie das Drehbuch eines Gangsterfilms: Die 14 vermummten Höllenengel sowie ein noch flüchtiger 15. Mann überfielen ihre Rivalen am Nachmittag des 22. März in dem Vereinsheim im Gewerbegebiet von Stuhr-Brinkum. Sie prügelten laut Anklage mit Axtstielen auf ihre fünf Opfer ein, fesselten die Männer und legten sie in einer benachbarten Werkstatthalle ab. Als Trophäen nahmen sie einem Opfer "Bandidos"-Gürtel und -T-Shirt ab. Aus dem Tresor raubten sie weitere Vereins-Aufnäher.

Die Angeklagten im Alter zwischen 32 und 47 Jahren schweigen im Gerichtssaal. Auch der Kronzeuge macht keine Angaben, zu seiner Aussage vor einem Richter, die den Prozess ins Rollen brachte, steht er aber weiterhin. Eine weitere Aussage sei nicht erforderlich, erklärt Verteidiger Hans Meyer-Mews. Wie alle "Hells Angels"-Aussteiger und Aussteiger anderer Motorradclubs stehe der Mann unter Druck, berichtet der Anwalt. "Es gibt eine Bedrohungslage, aber von einer konkreten Bedrohung ist mir nichts bekannt." Der Prozess wird an diesem Dienstag fortgesetzt. Möglicherweise haben sich das Gericht und die Verteidiger dann bereits auf ein Strafmaß geeinigt.