60 000 Euro zu Unrecht kassiert? Mitangeklagter Verwaltungsrat: “Ich habe gesagt: Das ist zu viel.“

Hildesheim. Hat die ehemalige AOK-Chefin von Niedersachsen sich selbst 60 000 Euro als Bonuszahlung angewiesen? Hat sie das Geld der Krankenkasse veruntreut? Zum Auftakt ihres Prozesses hat Christine Lüer die Vorwürfe vehement bestritten. Die Sonderzahlung von 45 000 Euro für das Jahr 2002 sei wie üblich mit Zustimmung von beiden Verwaltungsratsvorsitzenden erfolgt, sagte die 52-Jährige im Landgericht Hildesheim.

Lüer war im Februar 2005 von der Krankenkasse entlassen worden, weil sie insgesamt 60 000 Euro kassierte, die ihr laut Anklage nicht zustanden. Der mitangeklagte damalige Verwaltungsrat Gerrit Wolter erklärte dagegen, er habe die Prämie von 45 000 Euro nie bewilligt: "Ich habe gesagt: Das ist zu viel."

Die Bonus-Affäre sowie Korruptionsvorwürfe gegen einen weiteren Mitarbeiter hatten vor knapp vier Jahren für Aufsehen gesorgt. Die Vorgänge beschädigten das Image der größten Krankenkasse in Niedersachsen mit etwa 6000 Mitarbeitern und 2,2 Millionen Versicherten. Die nun mitangeklagten ehemaligen Verwaltungsräte Wolter und Hans-Jürgen Steinau traten zurück.

Die Anklage wirft der Juristin und Wirtschaftswissenschaftlerin neben schwerer Untreue Vorteilsnahme vor. So habe sie bei der Renovierung ihres Privathauses den Großkundenrabatt eines Bauunternehmers in Anspruch genommen. Die Angeklagte trat zu Prozessbeginn selbstbewusst auf und schilderte ihre Verdienste bei der Sanierung der AOK Niedersachsen. "Ich begann, die AOK auf betriebswirtschaftliche Füße zu stellen", sagte Lüer. Sie habe Millionen eingespart.

Lüers Jahresgehalt war zum1. Januar 2001 auf 270 000 D-Mark angehoben worden. Dazu gab es eine variable Vergütung von 50 000 Mark, diese wurde später auf 30 000 Euro erhöht. Über diese Geldsumme hinaus hatte Lüer dann einen zusätzlichen Bonus kassiert - 2002 in Höhe von 45 000 Euro und 2003 in Höhe von 15 000 Euro.

Die Ungereimtheiten in der AOK-Vorstandsetage fielen bei einer Prüfung des Sozialministeriums auf. Für die aus Sicht von Aufsichtsbehörde und Staatsanwaltschaft unrechtmäßigen Sonderzahlungen gab es keine Protokolle. Wolter weigerte sich Ende 2004, ein nachträglich gefertigtes Protokoll zu unterschreiben. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er erfahren, dass Lüer die Überweisung von 45 000 Euro veranlasst habe, erklärte der Angeklagte. Er habe lediglich einem Bonus von 15 000 Euro zugestimmt.