Im Jahr 2004 war der 61-Jährige wegen schweren sexuellen Missbrauchs seiner kleinen Stieftochter verurteilt worden. Wegen eines Formfehlers kam der Mann heute frei. Die Behörden wollen ihn allerdings streng überwachen. Doch eine “Rundumüberwachung“ sei aus personellen Gründen nicht möglich.

Lübeck. Ein weiterhin als gefährlich eingestufter Sexualstraftäter ist nach mehrjähriger Haft in Schleswig-Holstein wieder auf freiem Fuß. "Der Täter befindet sich nicht mehr in der Anstalt", sagte heute der Leiter der Lübecker Justizvollzugsanstalt, Peter Brandewiede. Der Akademiker war 2004 unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs seiner kleinen Stieftochter zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Zwei Gutachter hatten den 61-Jährigen als gefährlich eingeschätzt. Eine ausgesprochene Sicherungsverwahrung wurde aber aus formalen Gründen vom Bundesgerichtshof aufgehoben, weil wegen Erkrankung eines Sachverständigen einzuhaltende Fristen verstrichen waren.

Das Landgericht Kiel und das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig lehnten inzwischen auch einen Unterbringungsbefehl ab, den die Staatsanwaltschaft für den Zeitraum zwischen der Entlassung aus der Strafhaft und der Entscheidung über eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung beantragt hatte. Neue Erkenntnisse über die Gefährlichkeit des Verurteilten seien nach den Hauptverhandlungen in den früheren Verfahren nicht zutage getreten, hieß es zur Begründung. Die Kieler Staatsanwaltschaft will aber weiterhin erreichen, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung verhängt wird.

Justizminister Uwe Döring (SPD), der den Fall bekanntgemacht hatte, erklärte nach der Entlassung: "Ich bedaure sehr, dass ein solch gefährlicher Straftäter aufgrund eines Formfehlers auf freien Fuß kommt". Dies sei den Bürgern und den Opfern des Mannes nur schwer zu vermitteln. Gegen ihn hat das Gericht eine mit strikten Auflagen verbundene Führungsaufsicht verhängt.

Der Justizminister signalisierte, dass der entlassene Sexualstraftäter unter Beobachtung bleiben wird. "Für den Fall der Freilassung greift unser Kieler Sicherheitssystem KSKS, das wir am 1. Oktober gemeinsam mit dem Innenminister und der Sozialministerin auf den Weg gebracht haben", erläuterte Döring. Nach diesem Konzept stellen Justiz, Strafvollzug und Betreuungseinrichtungen der Polizei sämtliche Informationen zur Verfügung, die sie braucht, um zur Gefahrenabwehr eine "geeignete Überwachung" vorzunehmen.

"Der Straftäter soll nicht wissen, wann er überwacht wird, aber dass er beobachtet wird", sagte Döring. Eine "Rundumüberwachung" sei aber aus personellen Gründen nicht möglich. Das Konzept greife im Übrigen auch für den Fall, dass der Straftäter Schleswig-Holstein verlässt. "Wir werden alle relevanten Daten dann dem betreffenden Bundesland zu Verfügung stellen", kündigte der Justizminister an.