Peine. Zwei Ermittler wie ein starkes Duo im "Tatort"-Krimi. Aber nicht mit spektakulärem Auftritt, sondern mit akribischer Spurensuche.

Normalerweise legt die Polizei ungelöste Fälle beim Fehlen neuer konkreter Ermittlungsansätze irgendwann endgültig zu den Akten. Aber bei Yasmin Stieler aus Uelzen war das anders: Die Schülerin verschwand auf dem Weg zur Disco in Braunschweig spurlos in der Nacht des 5. Oktobers 1996, eine Woche später fand ein Spaziergänger ihren Torso an einem Bahndamm in Vechelde bei Peine, später wurden an anderen Stellen Kopf und Beine gefunden, nie aber die Hände. Dieses Szenario hat die Ermittler nicht mehr losgelassen.


So haben sie auf dem Polizeikommissariat in Peine im Laufe der Jahre über 60 Gutachten in Auftrag gegeben, schon 1996 einen der ersten massenhaften Gentests in Deutschland organisiert mit 1300 Männern und im Jahr darauf Großflächenplakate mit dem Bild von Yasmin an der Bahnstrecke Braunschweig-Hannover geklebt. Und obwohl das alles nicht zum Erfolg führte, blieb die Akte offen und kann nun, zwölf Jahre nach dem Verbrechen, vielleicht doch noch abgelegt werden: Fall gelöst. Für einen 41-jährigen verheirateten Mann aus der Region hat der Haftrichter den dringenden Tatverdacht des Totschlags bejaht, er sitzt in Untersuchungshaft, bestreitet allerdings die Tat.

Die Verhaftung ist das Resultat großer Hartnäckigkeit vor allem zweier Beamter in Peine. "Überhaupt kein Rambo, sondern ein besonders akribisch arbeitender, genauer Beamter", sagt ein Vorgesetzter über den Kriminalhauptkommissar Carsten Sommer. Und genau diese Akribie beim Aktenstudium, bei der Überprüfung der alten Ermittlungsansätze, hat ihn und den Polizeikommissar Christian Gleich doch noch auf die richtige Spur geführt. Zwei Ermittler wie in einem "Tatort"-Krimi, aber nicht mit spektakulärem Auftritt, sondern mit harter Arbeit bei der Spurensuche.

Vor zwei Jahren haben sie begonnen, die Akte von Yasmin Stieler Stück für Stück abzugleichen mit einem Mann, der im Zusammenhang mit einem anderen Mord von einem Zeugen genannt worden war, weil er Auffälligkeiten zeigte. Am Arbeitsplatz des Lastwagenfahrers, einem Handwerksbetrieb, wurde ein Spaten gefunden, der lange unbenutzt war und an dem sich noch Erde nachweisen ließ vom Fundort des Torsos von Yasmin. Zudem war am Fundort ein winziger Farbsplitter sichergestellt worden, der mit der Lackierung des Spatens übereinstimmt. Und in dem Betrieb wurden zur Tatzeit Müllsäcke benutzt wie der, in dem der Torso am Vechelder Bahndamm vergraben worden war. Zwischen den Durchsuchungen der Firma und der Verhaftung vergingen wieder Monate, bis die Gutachten zu Bodenprobe und Lacksplitter vorlagen. Zudem belegt der Fahrtenschreiber seines Lastwagens, dass der Verdächtige im Tatzeitraum eine Fahrt ohne dienstlichen Grund unternommen haben muss - um die Leichenteile abzulegen, in Vechelde, in Hannover, in Hämelerwald?

Heike Fischer, Vizepräsidentin der zuständigen Braunschweiger Polizeidirektion, lobt die beiden Beamten Sommer und Gleich: "Sie haben nie aufgegeben, die schreckliche Tat aufzuklären." Und es war nicht das erste Mal, dass die beiden bei einem weit zurückliegenden Mordfall der Akte doch noch die Schlussbemerkung "gelöst" hinzufügen konnten. 1991 wurde in Peine eine 43-jährige Frau, Spielhallenaufsicht, mit 15 Messerstichen brutal umgebracht, der Täter entkam unerkannt mit 2000 Mark Beute. Fünf Jahre später arbeiteten die Beamten in Peine auch diese Akte erneut durch, engten den Täterkreis noch einmal ein und forderten schließlich mehrere Männer zur Abgabe einer Speichelprobe für einen Gentest auf, weil neue DNA-Analyseverfahren auch zu neuen verwertbaren Spuren geführt hatten. Auf dem Peiner Kommissariat erschien dann, die Aufforderung in der Hand, ein 31-jähriger Mann. Er legte ein Geständnis ab.