Auch Plutonium und Kernbrennstoff lagern dort. Umweltminister Gabriel: “Die problematischste kerntechnische Anlage in Europa.“
Berlin/Hannover. Angesichts dramatischer Missstände im Atomlager Asse droht nun ein Wettlauf mit der Zeit, um den strahlenden Müll doch noch zu sichern. Derzeit ist aus Sicht von Umweltminister Sigmar Gabriel die Sicherheit der 126 000 Fässer Strahlenmüll in dem ehemaligen Bergwerk - darunter auch geringe Mengen Plutonium und Kernbrennstoffe - nicht garantiert. Asse sei "die problematischste kerntechnische Anlage, die wir in Europa finden", sagte Gabriel. Er bezeichnete die Missstände als GAU - als größten anzunehmenden Unfall - für die Debatte um ein offizielles Endlager für hochradioaktiven Müll. Die Glaubwürdigkeit in der Atomdebatte sei schwer beschädigt, meinte der SPD-Politiker.
Gabriel bezog sich auf einen neuen "Statusbericht" zum Zustand des einsturzgefährdeten einstigen Salzbergwerks bei Wolfenbüttel in Niedersachsen. Dort waren zwischen 1967 und 1978 zu Forschungszwecken 126 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Atomabfällen eingelagert worden. Laut Statusbericht war allerdings nie geplant, die Fässer wieder herauszuholen. Seit Jahrzehnten strömt Wasser in das Bergwerk, wo sich verstrahlte Laugen sammeln. Einige Atomfässer wurden bereits bei der Einlagerung beschädigt, einige sind durchgerostet.
Gabriel bestätigte, dass sich in der Asse auch rund neun Kilogramm Plutonium befinden sowie Material, das offiziell als "Kernbrennstoff" klassifiziert ist. Das Forschungsministerium widersprach allerdings Informationen, dass "hochradioaktiver Abfall" eingelagert worden sei. Der Bericht habe die Befürchtungen über den Zustand der Asse bestätigt, sagte Gabriel. Er habe schwerwiegende Mängel beim Betreiber - dem Helmholtz-Zentrum München - und bei der Aufsicht, dem Landesamt für Bergbau in Niedersachsen, aufgedeckt. So sei die Undichtigkeit des Bergwerks schon vor 1967 bekannt gewesen und nicht erst seit 1988. Das sei ein "unglaublicher Vorgang", sagte Gabriel.
Der vom Forschungsministerium beschriebene Zeitdruck entsteht dadurch, dass Experten einen Einsturz des Bergwerks ab 2014 befürchten. Möglicherweise könne die Sicherheit durch Baumaßnahmen noch fünf bis zehn Jahre länger gewährleistet werden, sagte Forschungs-Staatssekretär Frieder Meyer-Krahmer. Auch dann wäre die Frist für eine Lösung aus seiner Sicht äußerst knapp, weil komplizierte Genehmigungsverfahren nötig sind.
Die Lösungsoptionen werden noch geprüft. Zur Debatte stehen eine gezielte Flutung des gesamten Atomlagers, ein Zuschütten oder auch die Rückholung des Mülls oder eines Teils davon. Dies könnte bis zu drei Milliarden Euro kosten und 25 Jahre dauern.
Morgen wollen Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) und Gabriel beraten, ob das Helmholtz-Zentrum Betreiber bleiben soll oder das Bundesamt für Strahlenschutz die Asse übernimmt. Der Sprecher des Helmholtz-Zentrums, Heinz-Jörg Haury, sagte: "Wir sind gar nicht böse drum, wenn das da einen anderen Betreiber bekommt."