In der einsturzgefährdeten Kammer 4 lagern radioaktive “Sonderpackungen“. Niemand weiß, wie gefährlich sie sind.

Hannover. Mit einer 52 Kilometer langen Menschen- und Lichterkette zwischen den beiden Atomendlagern Schacht Konrad und Asse bei Wolfenbüttel wollen aufgebrachte Bürger aus der betroffenen Region am 26. Februar massenhaften Druck auf die Politik machen. Ihre Hauptforderung ist, dass beim weiteren Betrieb des Endlagers Asse in einem alten und einsturzgefährdeten Salzbergwerk das Atomrecht auch für die heikle Frage gilt, ob die Schachtanlage überhaupt geeignet ist als Endlager. Oder ob nicht trotz hoher Kosten und Risiken für die Bergleute die rund 126 000 Fässer wieder zurückgeholt werden müssen aus ihren Lagerkammern in bis zu 750 Meter unter Tage.

Die Asse-Kritiker sprachen gestern in Hannover vom "Bergwerk des Grauens" und machten klar, dass sie nach den Laugeneinbrüchen, nach der Feststellung zu hoher radioaktiver Strahlung und angesichts von Verstößen gegen Informationspflichten dem alten Betreiber, dem Münchner Helmholtz-Zentrum, sogar zutrauen, es habe in letzter Minute noch versucht, weitere Pannen und Versäumnisse der Vergangenheit zu vertuschen, indem eine vermeintlich neue Gefahrenlage beschrieben wurde.

Gestützt auf Messungen nach einem neuen Verfahren habe das Helmholtz-Zentrum kurz vor Weihnachten eine erhöhte Einsturzgefahr in Kammer 4 behauptet und eine sofortige umfassende Betonverfüllung dieser Lagerkammer gefordert. Dies sei dann aber bis zum Betreiberwechsel - seit Jahresbeginn ist das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig - nicht mehr erfolgt.

Peter Dickel und Michael Fuder als Vertreter der Bürgerinitiativen glauben, dass der alte Betreiber Interesse daran hatte, "Fehler der Vergangenheit zuzuschütten". Einen konkreten Verdacht haben die Asse-Kritiker auch: Nach ihren Informationen sind in der Rumpelkammer bereits Ende der 60er-Jahre und ohne ordentliche Aufzeichnungen über die gefährlichen Inhalte zehn mit Blei ummantelte "Sonderpackungen" untergebracht worden. Sie sprechen deshalb von "der Kammer des Schreckens". Weswegen die Bürgerinitiativen jetzt als ersten Schritt Strahlenmessungen in der Kammer fordern. Sie haben den Verdacht, dass dort hoch radioaktiver Abfall lagert.

An den Bundestag appellierten die Initiativen aus der Region Wolfenbüttel, nicht nur die Schließung, sondern auch den weiteren Betrieb des Bergwerks nach Atomrecht durchzuführen. Nur dann sei gewährleistet, dass durchgängig die höchsten Sicherheitsstandards gelten. Wegen der Einsturzgefahr mahnten die Initiativen außerdem Störfallanalysen und Notfallpläne an, die das Bundesamt nach eigenen Angaben den Initiativen schnell vorlegen will. Dann sollen auch die Untersuchungen über die möglicherweise gewachsene Einsturzgefahr von Kammer 4 und mögliche Gegenmaßnahmen vorliegen. Vorsorglich hat das Bundesamt bereits begonnen, den Verschluss der Kammer mit Beton zu verstärken. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat den Initiativen vor Ort versprochen, dass alle Untersuchungen über Stabilisierungsmöglichkeiten des alten Bergwerks bis zum Sommer vorliegen werden und dann ebenfalls noch in diesem Jahr die Grundsatzentscheidung über Eignung als Endlager oder Rückholung des Atommülls fällt.