Beim Umgang mit dem sexuellen Umgang durch einen Pastor in Ahrensburg sei auf vielen Ebenen Versagen festgestellt worden. Fälle verjährt.

Kiel. Beim Umgang mit dem sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Ahrensburg durch einen damaligen Pastor hat die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche „Versagen auf vielen Ebenen“ eingestanden. Die Kirche habe Schuld auf sich geladen, weil in ihrem Raum solche kriminellen Taten geschehen konnten und sie nicht stärker auf Signale und Rufe der Opfer gehört habe, sagte der Vorsitzende der Kirchenleitung, Bischof Gerhard Ulrich, am Mittwoch in Kiel. Die Fälle aus den 1970er und 1980er Jahren sind strafrechtlich verjährt.

Nachdem die damals verantwortliche Pröpstin 1999 mit den Vorwürfen konfrontiert wurde, habe die Dienstaufsicht durch den Kirchenkreis und das Nordelbische Kirchenamt nicht so funktioniert, wie es hätte sein sollen, sagte Ulrich. Ein Disziplinarverfahren gegen die Ex-Pröpstin werde die Kirchenleitung – abweichend von der Schlussfolgerung eines Gutachters – aber nicht einleiten. Aus ihrer Sicht gibt das Disziplinarrecht dies nicht her. Dass gegen den damaligen Pastor 1999/2000 kein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, sei „schlimm und falsch“ gewesen, sagte der Bischof. „Auf die Nordelbische Kirche ist mit diesen Vorfällen ein Schatten gefallen.“ Diesen Schatten werde sie nicht abschütteln können. Strafanzeige wurde seinerzeit auch nicht gestellt.

Der heute 73 Jahre alte und seit 2000 pensionierte Geistliche hatte den Missbrauch von Jugendlichen Ende vorigen Jahres gestanden. Mit der von ihm beantragten Entlassung kam er seinem Rauswurf zuvor. „Das war nach meiner persönlichen Auffassung auch ein Schuldeingeständnis“, sagte der Bischof.

Im März 2010 waren die Missbrauchsfälle mit dem Brief einer Betroffenen öffentlich geworden, die sich bereits 1999 an die inzwischen pensionierte Pröpstin gewandt hatte. Die damals ergriffenen Maßnahmen hätten weder der Tragweite des Falles noch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprochen, sagte der Bischof am Mittwoch. Er entschuldigte sich für die Kirche dafür, dass Opfer den Eindruck gewinnen konnten, sie habe sich mehr um den Täter gekümmert als um sie.

Ein von der Kirche beauftragter Gutachter bemängelte, dass keine Dokumentation vorliege, aus der man die Vorgänge hätte rekonstruieren können. Weshalb die damaligen Gespräche nicht dokumentiert wurden, sei ein „großes Rätsel“, sagte Kirchenleitungsmitglied Friedrich-August Bonde. Da nach Darstellung der Kirchenleitung die Versäumnisse nicht zu einer „Entfernung aus dem Dienst“ – dies würde den Verlust des Ruhegehalts bedeuten - führen würden, könne auch kein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die damalige Pröpstin die Taten des Pastors verschleiert habe, lägen nicht vor. Es gebe vielmehr Anhaltspunkte, „dass sie nicht vertuschen wollte“, sagte Bonde.

Opfervertreter sind weiterhin enttäuscht über die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle durch die Kirche. „Mauern, mauern, mauern“ sei das Motto, sagte der Vorsitzende des Vereins Missbrauch in Ahrensburg, Anselm Kohn, der Deutschen Presse-Agentur. Er stellte die Neutralität des Gutachtens infrage und meinte zur Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die damalige Pröpstin: „Das ist bitter und entspricht dem Bild, das ich von der Kirche im Laufe der letzten zwölf Monate gewonnen habe.“ An einem Treffen, zu dem der Bischof Opfer eingeladen hatte, nahmen am Dienstag nur vier Betroffene teil. Andere verweigerten sich.

Den Opfern sei in der Kirche schweres Unrecht und Leid geschehen, das nicht aus der Welt zu schaffen sei, sagte Bischof Ulrich. Mit zahlreichen präventiven Maßnahmen will die Kirche künftiges Versagen verhindern. Missbrauchsfälle sollen bei der Staatsanwaltschaft angezeigt und jeweils ein Krisenstab gebildet werden. Heute sei ausgeschlossen, dass sich unkorrektes Verwaltungshandeln wie damals wiederhole, sagte der Bischof.

Im Zusammenhang mit Kritik am Umgang der Kirche mit den Missbrauchsfällen war die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen im vorigen Jahr zurückgetreten. Ulrich bekräftigte seine Auffassung, dass Jepsen kein Vorwurf zu machen sei. Sie habe aber den Eindruck gehabt, dass ihre Glaubwürdigkeit beschädigt war.