Wilhelmshaven. Generalüberholter Dreimaster ist nach fast sechs Jahren wieder in Händen der Marine. Steuerzahlerbund hebt mahnend den Finger.
Nach einer annähernd sechsjährigen Generalüberholung ist die „Gorch Fock“ am Donnerstag wieder offiziell an die deutsche Marine übergeben worden. Die Übergabe erfolgte im Marinestützpunkt in Wilhelmshaven ohne Begleitprogramm. Das Segelschulschiff machte sich danach auf den Seeweg in seinen Heimathafen nach Kiel, wo die Marine es dann am kommenden Montag feierlich begrüßen will.
Dort soll das traditionsreiche Aushängeschild der Seestreitkräfte dann feierlich empfangen werden. Zuvor wollen Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach in der Eckernförder Buch an Bord gehen, um die Besatzung die letzten Seemeilen nach Kiel zu begleiten.
„Jede Schiffsübergabe ist von Emotionen geprägt und erfüllt allen voran die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ein Projekt über Monate begleiten und zum Erfolg beitragen, mit Stolz“, sagte Tim Wagner, Geschäftsführer der Lürssen-Werft, am Donnerstag. Das Bremer Familienunternehmen hatte das Projekt im Oktober 2019 übernommen und das Schiff auf der Grundlage einer umfassend neubewerteten Leistungsbeschreibung zwei Jahre lang generalüberholt.
„Gorch Fock“: Kostenexplosion auf 135 Millionen Euro
Ende 2015 wurden bei Überprüfungen der 1959 in Dienst gestellten „Gorch Fock“ schwere Schäden festgestellt, die aufwändige Sanierungsarbeiten erforderlich machten. Diese sorgten vor allem wegen drastischer Kostensteigerungen von anfänglich 10 auf letztlich 135 Millionen Euro für Wirbel.
Dazu kamen noch massive Verzögerung und Korruptionsverdacht bei der ursprünglich mit der Sanierung beauftragten Elsflether Werft, die pleite ging und im Februar 2019 Insolvenz anmelden musste. Lürssen übernahm das Unternehmen und die Arbeiten an der „Gorch Fock“.
„Gorch Fock“: Steuerzahler warnen vor weiteren Kosten
Nach Einschätzung des Bundes der Steuerzahler wird die Instandhaltung des Schulschiffes „Gorch Fock“ weiterhin viel Geld kosten. „Künftig werden weitere Millionen Euro für die Intensivpflege hinzukommen. Die 'Gorch Fock' wird die Steuerzahler weiter beschäftigen – und belasten“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag). Demnach seien bei der Marine etwa alle zweieinhalb Jahre vier bis fünf Monate andauernde Checks des Schiffes geplant.
Die jahrelange und teure Sanierung des Dreimaster nennt Holznagel eine „Chronik der Pleiten, Pech und Pannen, eine Chronik der Prestigesucht, Kostenexplosion und Steuergeldverschwendung“.
„Gorch Fock“ war für Lürssen-Werft herausfordernd
Lürssen-Geschäftsführer Stolz bezeichnete das Projekt am Donnerstag noch einmal als eines „mit zahlreichen technischen Herausforderungen, schwierigen Rahmenbedingungen und einem ambitionierten Zeitplan“. Seinem Team sei es gemeinsam mit Partnerunternehmen und Unterlieferanten gelungen, „einem leeren Stahlkasko in weniger als zwei Jahren wieder Leben einzuhauchen“ und die „Gorch Fock“ unter Segel zu setzen. Dies sei eine besondere Leistung, die auch durch die „vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bordkommando, dem Marinearsenal und allen verantwortlichen Dienststellen“ möglich gewesen sei.
Die Marine bildet auf dem Schulschiff ihre Offiziersanwärter und -anwärterinnen im seemännischen Handwerk aus. Seit Anfang September befand sich die „Gorch Fock“ am Marinestützpunkt Wilhelmshaven in der Endausrüstung. In dieser Phase wurden zahlreiche Erprobungen wie Krängungsversuch, die Prüfung der Funk- und Navigationsanlage sowie Werftprobefahrten durchgeführt. Parallel hat die Deutsche Marine ihr Equipment an Bord verbracht.
„Gorch Fock“ erfuhr monatelangen Baustopp
In den Monaten zuvor wurde das Schiff an den Lürssen-Standorten Berne und Lemwerder mit neuen Masten und Rahen ausgerüstet sowie einem komplett neuen Rohrsystem, neuer Isolierung und neuem Innen- und Außenanstrich. Zudem wurden Antriebsanlage und Generatoren instandgesetzt, die Inneneinrichtung zum größten Teil neu eingebracht und die Klima- und Lüftungsanlagen an die aktuelle Vorschriftenlage angepasst.
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„Wir haben die Arbeiten an der Bark seinerzeit übernommen, weil wir unserem Kunden in dieser schwierigen Situation unsere Unterstützung zukommen lassen wollten“, sagte Wagner. „Infolge der Insolvenz der bis zu diesem Zeitpunkt verantwortlichen Werft erfolgte allerdings über Monate ein nahezu umfassender Baustopp. Zudem waren die Bauunterlagen größtenteils unvollständig und wir mussten zunächst zahlreiche Korrekturen an den schiffbaulichen Arbeiten vornehmen.“ Auch Corona-bedingte Personalausfälle und Lieferverzögerungen in diesem Frühjahr hätten die Fertigstellung erschwert.