Eimke. Die Raubtiere reißen immer wieder ihre Schafe – im Frühjahr waren es schon 91 Tiere. Verena Jahnke fühlt sich machtlos.
Den Anblick von Mutterschafen mit aufgerissenen Bäuchen, neben denen tote Lämmer liegen, wird sie nie vergessen. Gedärme, noch lebende angefressene Schafe, verwaiste Lämmer, gebrochene Beine, Blut, auf Kilometer verteilte tote Tiere. 91 Tiere ihrer Schaf- und Heidschnuckenherde haben Wölfe innerhalb von sechs Wochen im Frühjahr gerissen.
Das ist nicht nur ein wirtschaftlicher Schaden, sondern eine enorme psychische Belastung für die Schäferin aus der Lüneburger Heide. Die zunehmende Wolfspopulation und mangelnder Schutz machen Verena Jahnke das Leben schwer.
Durch Wölfe viele Tiere verloren – Schäferin hat Albträume
Schäferin ist die 30-Jährige aus Leidenschaft. „Ich habe mich bewusst für diesen Lebensweg entschieden, weil ich die Arbeit an der frischen Luft, in der Natur und mit meinen Schafen und Hunden liebe“, sagt sie. Unter Schäfern sagt man: „Schäfersein kann man nicht lernen, man wird als solcher geboren.“ Die 30-Jährige arbeitet mit ihrem Vater und drei Angestellten in der Glockenbergsschäferei im niedersächsischen Eimke. Sie bewirtschaften mit ihren Heidschnucken unter anderem das Ausflugsziel Ellerndorfer Wacholderheide und pflegen mit ihren Fleischschafrassen den Elbdeich im Kreis Winsen/Luhe. Sie ist mit den Schafen überall dort, wo die Heideflächen oder Deiche, wo die Landschaft von ihren Tieren durch das Verbeißen gepflegt werden müssen. Keine Maschine könnte das übernehmen, was ihre 1700 Tiere leisten.
Nun aber sieht sie sich einem Wettrüsten mit Wölfen konfrontiert, verbunden mit zusätzlichen Arbeitsstunden und Kosten. „Dennoch haben wir haushoch verloren“, sagt sie. „Ich wusste, dass der Lohn ein hart verdienter ist. Ich wusste, dass eine 70-Stunden-Woche nicht ausreicht. Ich wusste nicht, dass ich irgendwann so gut wie keinen Schlaf mehr finden werde, dass ich Albträume haben werde.“ Manche ihrer gerissenen Tiere fehlen ihr bis heute.
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In Niedersachsen gibt es 35 Wolfsrudel und zwei Wolfspaare
Obwohl sie ihre Herde schützt, mit Herdenschutzhunden, mit immer höheren Zäunen und Netzen, mit einer Wolfswache im Wohnwagen neben der Herde, mit doppelten Zaunsystemen, die ein Überspringen verhindern sollen, mit stromführenden Litzen für noch mehr Höhe: Die Wölfe halten immer mit und schaffen es immer wieder, diese Hürden zu umwinden.
In Niedersachsen gibt es derzeit 35 Wolfsrudel und zwei Wolfspaare in 37 Wolfsterritorien mit 300 bis 350 Wölfen, und die Population nimmt seit Beginn des Wolfmonitorings vor neun Jahren stetig zu. Zum Vergleich: 2015/2016 gab es sechs bestätigte Rudel verteilt auf elf Territorien. Das Monitoring des niedersächsischen Wolfsbeauftragten Raoul Reding dokumentiert alle Hinweise auf Wolfsvorkommen. Diese Daten weisen dann auf den Bestand hin. Aber: „Da wir auf Hinweise angewiesen sind, wird die Dunkelziffer um einiges höher liegen.“
Jahnke: Mit finanzieller Entschädigung ist es nicht getan
Verena Jahnke fordert ein umfassendes Wolfsmanagement, damit sie ihren Beruf weiter ausüben kann, damit ihre Schafe überleben. Sie bekommt für ein gerissenes Schaf eine finanzielle Entschädigung vom Land Niedersachsen, aber damit sei es nicht getan. „Wir wollen den Wolf nicht ausrotten. Aber er soll unsere Schäfereien und die Weidetierhaltung nicht zerstören. Wir brauchen eine Bestandsregulierung der Wölfe und einen echten Managementplan.“ Ein Rudel oder Einzeltier, das sich auf das Reißen von Schafen spezialisiert hat, müsse entnommen werden. Artenschutz funktioniert nicht einseitig.
Ja, ein Teil ihrer Tiere werde geschlachtet, aber ausgewählte Tiere. „Eine Schlachtung in Deutschland ist mit Auflagen verbunden. Es geht schnell, die Tiere werden betäubt, sie leiden nicht. Ob ein Schaf, das bei lebendigem Leibe angefressen wird, das behaupten kann?“
Niedersachsen will eine Grenze für die Wolfspopulation festlegen
Der Niedersächsische Landtag überlegt, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Außerdem soll eine Grenze für die Wolfspopulation festgelegt werden. Steigt die Zahl der Wölfe darüber hinaus, können Tiere abgeschossen werden. Für Niedersachsen wurde bereits eine Grenze von 500 Wölfen ins Gespräch gebracht. Obwohl das Ziel ist, den wachsenden Wolfsbestand besser regulieren zu können, sagt Verena Jahnke, dass die alleinige Aufnahme der Wölfe ins Jagdrecht keine Besserung für die Weidetierhalter bringe. Der Schutzstatus müsse geändert werden.
Rund ein Dutzend Wölfe gilt als Problemwölfe, die Schutzzäune überspringen und Weidetiere töten. Die neue niedersächsische Wolfsverordnung regelt, wie mit diesen Wölfen umgegangen wird – etwa durch Verscheuchen oder Abschuss. Bei erfolgloser Vergrämung können aufdringliche Wölfe (nach Annäherung unter 30 Metern oder nach einem Angriff auf Menschen) geschossen werden. Überwindet ein Wolf mindestens zweimal einen Herdenschutz, kann ein Abschuss genehmigt werden. Wolfsbeauftragter Reding: „Der Wolf braucht die Akzeptanz, deshalb sind Managementmaßnahmen wichtig. Sie bedeuten auch Schutz für den Wolf.“