Kassel/Hamburg. Herbert Heins muss volle Krankenkassenbeiträge auch auf seine Direktversicherung zahlen. Das Urteil hat weitreichende Folgen.

Ob Betriebsrente, Kapitallebensversicherung oder Direktversicherung – wer in Deutschland Geld erwartet von dieser zusätzlichen Altersvorsorge, sollte bedenken, dass bei gesetzlich Versicherten der volle Krankenkassenbeitrag davon abgezogen wird. Das sind samt Pflegeversicherung knapp 20 Prozent.

In einem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom Mittwoch (Aktenzeichen B 12 KR 1/19 R) wurde die Klage eines Rentners abgewiesen, der mit seinem Arbeitgeber zusätzlich zur Betriebsrente eine Direktversicherung vereinbart hatte. Dort hinein floss Geld, das er über viele Jahre mit einer Extrastunde pro Woche erarbeitete.

Auf die dann angesparten 58 390,07 Euro sollte er knapp 20 Prozent Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge an die Techniker Krankenkasse zahlen.

Dagegen hatte Herbert Heins (70) aus der Samtgemeinde Hollenstedt im Landkreis Harburg geklagt und verlor nach den ersten beiden Instanzen nun auch vor dem BSG in Kassel. Heins argumentierte, die Direktversicherung sei keine Rente – und er war noch gar nicht im Ruhestand, da sollte sie ausgezahlt werden.

Bundessozialgericht: Direktversicherung ist eine Rente

Nach neun Jahren juristischer Schlacht hörte er vom 12. Senat des Bundessozialgerichtes unter Vorsitz von Richter Andreas Heinz: Es komme nicht darauf an, ob er schon eine Betriebsrente hatte. Heins‘ Direktversicherung sei eine „der Rente vergleichbare Einnahme“. Sie „dient der Alterssicherung des Klägers“.

Es sei ganz gleich, so Richter Heinz, was Heins mit seinem Arbeitgeber im Jahr 1988 über den Zweck der Versicherung vereinbart habe. Das höchste deutsche Sozialgericht habe ein Wortlautverständnis, das an den Wortlaut des Gesetzgebers gebunden sei.

Rebellischer Rentner Heins legt Sprachgutachten vor

Das war eine Anspielung auf die sprachlichen Gutachten, die Heins vorgelegt hatte. Sie sollten klarmachen, dass seine Direktversicherung eben keine „Versorgung“ sei wie eine Betriebsrente. Rentner Heins zitierte extrem fachkundig aus den einschlägigen Paragrafen des Sozialgesetzbuches. Auch sein Anwalt Prof. Hermann Plagemann sagte: „Einmaliges Kapital hat nichts mit Versorgung zu tun.“

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In Deutschland gibt es vermutlich mindestens vier Millionen Betroffene wie Herbert Heins. Die rot-grüne Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte im Jahr 2004 das sogenannte „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ beschlossen, kurz: GMG. Der Sinn lag darin, auf Betriebsrenten, die als Einmalzahlung ausgezahlt werden, den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erheben.

„Damit kann man auch einen Bankraub rechtfertigen“

Denn die Krankenkassen waren finanziell in extrem schlechter Lage. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wollte verhindern, dass sich Arbeitnehmer noch vor der Rente entscheiden, sich das Geld auszahlen zu lassen. Denn so konnten sie damals noch die Kassenbeiträge umgehen. Das auch von der Union mitgetragene GMG galt aber auch für Altverträge wie den von Herbert Heins. Die Rentner bemängeln, dass das der Rechtssicherheit widerspreche.

Rentner Heins hatte in Kassel die Gelegenheit, vor dem 12. Senat des Bundessozialgerichtes all seine Argumente persönlich vorzutragen. Er sagte in seinem gut 30-minütigen Vortrag: Die damals klammen gesetzlichen Krankenkassen hätten noch vor der Verabschiedung des Gesetzes untereinander ausgemacht, dass das GMG auch für Altverträge gelte und die Rentner doppelt zur Kasse gebeten werden sollen, wenn sie in den Ruhestand gehen.

„Wenn man das so interpretiert, kann man auch einen Bankraub aus betrieblichen Gründen rechtfertigen“, so Heins.

Ironie der Geschichte: Der Anwalt der Techniker Krankenkasse stimmte einem Vorschlag von Richter Heinz zu, dass wegen eines Verfahrensfehlers bei einem früheren Bescheid Rentner Heins einen Teil seines Pflegeversicherungsbeitrages erstattet bekommen soll. Richter Heinz nannte gleich die Summe: „0,48 Euro.“