Scheeßel. Schäfer Holger Benning aus Scheeßel schützt seine 900 Tiere mit 21 Herdenschutzhunden vor dem Wolf.

Die Nackenhaare sträuben sich bei Cooper und Debbie, sie bellen und halten ihre Köpfe tief – zum Angriff bereit. Gut, dass die Hunde hinter dem 8000-Volt-Elektrozaun auf einer Koppel auf Streife gehen. In der Ferne grasen Schafe. Völlig unbeeindruckt vom Gezeter der Hunde. Cooper und Debbie sind Herdenschutzhunde und machen hier ihre Arbeit. Denn niemand soll zu den Schafen, die unter ihrem Schutz stehen. Schäfer Holger Benning aus dem niedersächsischen Scheeßel hält 21 dieser großen Hunde, um seine 900 Schafe und Ziegen vor Wölfen zu schützen. Sie sind ihre Leibwächter.

Seitdem der Wolf zurück ist, sorgen sich viele norddeutsche Nutztierhalter wie Holger Benning um ihre Tiere. Der 45-Jährige hat bereits vor sieben Jahren damit begonnen, den Schutz seiner Tiere auszubauen. Neben 90 Zentimeter hohen Elektrozäunen sind es eben auch seine besonderen Hunde. Die alte Hunderasse aus Anatolien ist für diesen Job perfekt geeignet – robust, genügsam und mit dem nötigen Mumm, um ihre Familie, die Schafe, zu schützen.

Noch hat sich kein Wolf an die Herde herangetraut

Sie nehmen es mit Wildschweinen auf, mit Wölfen, sogar mit Bären. Im Gegensatz zu Hütehunden, die eine Schafherde lenken, sind Kangals ihre Beschützer. Die grau-beigen Kangals liegen meist bei den Schafen im Gras und sind kaum zu sehen. Sobald sich aber Fremde, Hunde oder eben Wölfe nähern, springen sie auf und rennen zum Zaun. Dringen Wölfe ins Gehege, geht es zur Sache. „Kangals würden den Wolf stellen, beißen und den Kampf aufnehmen.“ Die Chancen, dass die Hunde als Sieger vom Platz gehen, seien recht hoch.

Benning und seine Frau Nicole sind froh, Debbie, Cooper, Ginny, Hulk, Hogan oder den 60 Kilogramm schweren und 100 Zentimeter großen Rüden Gunny und die anderen zu haben. Sie scheinen Wölfe tatsächlich nachhaltig zu beeindrucken. Denn noch hat sich keiner an die Herde herangetraut. „Sie waren wohl nah dran“, sagt Holger Benning. Wolfsspuren entlang der Zäune belegen das. Von einem Hochsitz neben einer der Koppeln hat eine Jägerin sieben Wölfe beobachtet. Ein Schaf gerissen hat keiner von ihnen.

Wolfsschutz kostet bis zu 35.000 Euro im Jahr

„Wir denken, dass die Wölfe ihre Jungen erziehen, nicht an gut geschützte Schafe zu gehen“, sagt Benning. Er ist mit seinen Schafen und Ziegen, alles alte Haustierrassen, in der Zevener Geest, in Harburg, Neu Wulmstorf, Tostedt und in Neugraben oder Francop unterwegs. Die Tiere sind auf sieben verschiedene Weideflächen verteilt, die regelmäßig wechseln. In jeder Schafherde arbeiten mindestens zwei Hunde im Team.

Holger Benning sieht sich als Naturschützer, er sagt aber auch: Würde ein Wolf ein Schaf reißen, müsse er geschossen werden. „Er würde es immer wieder machen.“ Dann müsse aufgerüstet werden – mit einem höheren Zaun oder mit Herdenschutzhunden. Der Wolfsschutz durch Elektrozäune, mindestens acht Kilometer hat er aufgestellt, und durch den Unterhalt der Hunde, kostet Benning bis zu 35.000 Euro im Jahr.

Bennings verkaufen die Kangals an Nutztierhalter

Holger und Nicole Benning züchten die Kangals und verkaufen sie an Nutztierhalter, an Schäfer, Pferde- oder Rinderbesitzer. An Privatleute gibt er seine Hunde nicht. Sie brauchen die Arbeit im Freien. „Die Welpen werden draußen in der Schafherde geboren“, sagt Nicole Benning. Die Hunde verbringen ihr Leben bei der Herde. Die Ausbildung zum Herdenschutzhund dauert drei Jahre.

Eine der ersten schmerzhaften Lektionen im Welpenalter ist die Bekanntschaft mit dem Elektrozaun. Wer meint, das seien gefährliche Hunde, irrt. „Sie sind echte Menschenfreunde“, so Nicole Benning. Sie verbringt viel Zeit mit den Welpen, um sie zu sozialisieren. Denn auch Kangals müssen sich anfassen lassen und auch mal zum Tierarzt.

Inniges Verhältnis zwischen Hund und Halter

Als Holger Benning an diesem Tag bei einer weiteren Herde vorbeischaut, zeigt er eindrucksvoll, was für ein inniges Verhältnis Hund und Halter haben. Anders als Cooper und Debby kommen Hulk, Hogan und Ginny schwanzwedelnd an den Zaun und begrüßen auch Fremde freundlich, zumindest im Beisein ihres Besitzers. Der muss erst mal ein wenig schmusen, bevor er schaut, ob bei den Schafen und Ziegen alles in Ordnung ist.

Es ist Lammzeit. Bald wird seine Herde auf bis zu 1200 Tiere anwachsen. Als Hulk einem Lamm ein wenig in den Rücken zwickt, weist Holger Benning ihn umgehend zurecht. Denn das dürfen Herdenschutzhunde nicht. „Sonst kommt er zu einem alten Schafbock“, sagt Benning, „der bringt den jungen Hunden richtiges Benehmen bei.“