Jabel. Die Moderatorin, Künstlerin und Kneipenfrau hat sich einen Traum erfüllt – ein Leben auf dem Land. Und sie bringt Stimmung ins Dorf.

Tine Wittler erzählt diese Geschichte mit ihrem typischen, lauten Lachen. Wie zwei zukünftige Nachbarinnen in der Küche saßen und diese blonde Frau durch das kleine wendländische Rundlingsdorf Jabel bei Lüchow stromern sahen. „Guck mal, die sieht aus wie Tine Wittler“, habe die eine zur anderen gesagt. Die Menschen in diesem 60-Leute-Dorf hätten nicht damit gerechnet, dass sie es wirklich sein könnte.

Aber jetzt, jetzt ist die Wittlerin tatsächlich dort. Hat dieses alte Bauernhaus von 1838 gekauft, renoviert, so gut es bisher ging. Die bunte Künstlerin, Kultur- und Kneipenfrau ist in der niedersächsischen Provinz aufgeschlagen. Geplant dauerhaft. Und? „Der Empfang durch die Leute hier war überwältigend herzlich“, erzählt sie, „ich bin mit offenen Armen empfangen worden.“ Und lacht wieder.

Die Sonne lacht auch an diesem Tag. Fahrradmeuten haben sich zur Pause niedergelassen. Die meisten auf der Durchfahrt von einem „Wunderpunkt“ zum nächsten. Am Donnerstag, Himmelfahrt, hat die „Kulturelle Landpartie“ im Landkreis Lüchow-Dannenberg begonnen. Noch bis Pfingstmontag locken in den Dörfern zwischen Elbe und Drawehn 90 Autominuten von Hamburg entfernt ungezählte Kulturveranstaltungen.

Wunsch, aufs Land zu ziehen, kam schleichend

„Wittlerins Wohnzimmer“ steht auf der Schiefertafel vor der „Groot Dör“ Richtung Straße. Davor Holztische, Sitzgelegenheiten, ein Sonnenschirm, es werden Bücher und CDs der Wirtin angeboten. Getränke werden nachgefragt von den Radlern, Ausflüglern und den Neugierigen. Die mal sehen wollen, was diese blonde, schrill wirkende, mächtige Frau, die sie bis 2013 vor allem aus dem Fernsehen von zehn Jahren Einrichtungstipps bei RTL kannten, hier nun aufziehen will. „Viele Leute erinnern sich aus der TV-Sendung, haben aber keine Ahnung, wer und wie ich wirklich bin“, sagt Tine Wittler, „deshalb gehe ich hier auch auf alle offen zu.“

Der Wunsch, aufs Land zu ziehen, der kroch langsam, aber unaufhaltsam seit einigen Jahren in der 45-Jährigen hoch. „Eigentlich wollte ich das erst mit 50 Jahren machen, aber tatsächlich hat G 20 bei mir den Wunsch ausgelöst, den Schritt jetzt schon zu gehen.“ Irgendwann bot die Immobiliensuchmaschine auch das Wendland. „Klar, dachte ich. Ich habe in Lüneburg studiert, wir sind hier rausgefahren am Wochenende, haben auch gegen die Castortransporte demonstriert und es hier immer schön gefunden“, erzählt sie. Das Haus in Jabel war das erste, das sie sich ernsthaft angeschaut hat. „Liebe auf den ersten Blick.“ Im November hat sie es gekauft.

Vom Herbst an soll es Konzerte und Lesungen geben

Ihre Parallelwelt Kulturbar in Hoheluft wird weiterhin existieren. Theaterengagements, Bücherschreiben, Chansonskomponieren und Singen, Booking und Management für andere Künstler, macht sie alles weiter. Eine Wohnung und die Geschäftsadresse in Hamburg bleiben auch – „Manche Termine muss man einfach in der Stadt machen.“ Aber der Lebensmittelpunkt ist jetzt in diesem pittoresken Dorf mit all seinen Fachwerkhäusern wie aus dem Klischeealbum für ländliches Leben. „Ich habe mich natürlich überall bei den Nachbarn vorgestellt. Ich komme selbst vom Dorf. Ich weiß, wie wichtig der persönliche Kontakt in einer Dorfgemeinschaft ist.“

In Ostwestfalen ist sie groß geworden. „Da war noch weniger los als hier. Das Einzige, was wir hatten, war Platz.“ So etwas prägt den Menschen wohl doch. Jedenfalls hilft es beim Umgang. Vor der Eröffnung ihres „Wohnzimmers“ hatte sie auch schon zweimal das gesamte Dorf zu Versammlungen zu Gast. Große Runde, offene Gespräche, Anregungen und Bedenken aufnehmen. „Warm muss es sein“, haben mir die Leute zugeraunt“, lacht Tine Wittler, „also habe ich an diesen Abenden den Ofen hochgebullert.“ Die Gastronomie war immer Teil des Landlebenplans, in Jabel lässt das Haus dies zu. „Das ist auch Nachhaltigkeit, wenn das denkmalgeschützte Haus so selbst zu seiner Erhaltung beiträgt.“ Fenster, Türen, Dachboden, Isolierung, Klärgrube muss alles noch gemacht werden. „Wenn du ein Haus kaufst, dann bist du nie fertig“, weiß die ehemalige Einrichtungs­fachfrau.“

Sie will sich ein Pferd kaufen

Am späten Nachmittag sind die Fahrradausflügler verschwunden, die Außengastro wird reduziert. Den westfälischen „Pickert“, eine Art Kartoffelpfannkuchen mit süßer oder herzhafter Beilage; gibt es nicht mehr. Abends nur noch Getränke und kleine Snacks in der neuen Dorfkneipe. Alles ist noch ein wenig im Experimentierstadium. „Keine Ahnung, was uns bei der Kulturellen Landpartie erwartet“, sagt die Wirtin, „aber es wird schön und anstrengend.“ Das normale Leben, das wird danach einsetzen. Nach einer Erholungspause. „Wir machen auf, wenn Mutti da ist. Und wenn ich auf Tournee bin oder einer Bühne stehe, dann ist zu.“ Ob sich das alles trägt, wenn die Neugierde auf die prominente Neue vorbei ist, wird man sehen. Vom Herbst an aber soll es in Jabel Konzerte geben oder Lesungen, die Wirtin singt dann selbst, oder andere treten auf. Tine Wittler, die Neu-Wendländerin, wirkt erschöpft und zufrieden in diesen Tagen. Und freut sich ganz doll auch auf eines: „Hier habe ich die Möglichkeit, mir endlich wieder ein Pferd anzuschaffen.“

Noch bis Pfingstmontag locken in den Dörfern zwischen Elbe und Drawehn, 90 Autominuten von Hamburg entfernt, ungezählte Kulturveranstaltungen. Darunter Galerien in der Scheune, Konzerte im Silo oder Dichterlesung auf dem Dorfplatz. Heute gibt es zum Beispiel Singer-Songwriter (16 Uhr, Mammoißel), Kinderzirkus (17.30 Uhr, Güstritz Kommune) oder eine Brauereiführung (18 Uhr, Kussebode). Alle Infos unter kulturelle-landpartie.de