Braunschweig . Niedersachsens Ministerpräsident zu den Rücktrittsforderungen gegen ihn in der VW-Affäre. Umstände im Fall Twesten verlangten Aufklärung.

Für Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) läuft es gerade alles andere als rund. Eben erst hat seine rot-grüne Koalition im Landtag ihre Einstimmen-Mehrheit verloren, weil eine abtrünnige Abgeordnete zur CDU-Fraktion wechselte. Nun sind Neuwahlen nötig. Dazu sieht sich Weil schweren Vorwürfen im VW-Abgasskandal ausgesetzt. Im Interview gibt sich der Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzende kämpferisch.

Herr Weil, wie sehr ärgert Sie es, dass Ihre Regierung zumindest vorläufig gescheitert ist? Nach dem Wechsel der Grünen Elke Twesten zur CDU wirkten Sie reichlich angefasst.

Stephan Weil: Ich sehe das nicht als Scheitern. Wir erleben eine vorzeitige Beendigung der Legislaturperiode auf einigermaßen undurchsichtige Art und Weise. Mich stört, dass durch einen ausschließlich persönlich begründeten Schritt einer Abgeordneten eine demokratische Entscheidung von Wählerinnen und Wählern in ihr Gegenteil verkehrt worden ist. Sie wollten 2013 eine rot-grüne Mehrheit und keine schwarz-gelbe. Und mich stört auch, dass die Umstände nach wie vor ungeklärt sind. Stichwort: unseriöse Angebote. Das schreit geradezu nach Klärung.

Deswegen hatten wir „vorläufiges Scheitern“ gesagt. Sie können ja mit der Wahl am 15. Oktober wiederkommen.

Stephan Weil: Das habe ich auch vor und vor allem bin ich da.

Ins Kriseln gekommen war Ihre Koalition aber schon vor dem Fall Twesten, unter anderem wegen Fehlern bei der Vergabe von Aufträgen zum Beispiel, eine Staatssekretärin musste gehen. Der Leiter der Staatskanzlei hat schwere Fehler eingeräumt, es gab diverse erfolgreiche Verfassungsklagen der Opposition, und zum neuen Schuljahr wieder eine Menge Ärger mit Abordnungen von Gymnasiallehrern an Grundschulen. Wie erklären Sie sich solche Mängel beim Regieren?

Stephan Weil: Das ist, mit Verlaub, eine ziemlich einseitige Sichtweise. Wer nichts macht, macht nichts verkehrt, sagt der Volksmund. Und wir haben sehr viel gemacht. Dabei waren sicherlich auch Fehler. Aber wenn ich mal die Vergaben als Maßstab nehme, haben wir natürlich eine große Zahl absolut sauberer Vorgänge. Ich bin sehr problembewusst, wenn es um Fehler geht. Aber in der Gesamtschau waren die letzten viereinhalb Jahre für Niedersachsen ausgesprochen gute Jahre. Ich nenne ihnen ein paar Beispiele: Der Haushalt ist zum ersten Mal saniert. Wir haben Turboabitur und Studiengebühren abgeschafft. Wir sanieren überall im Land die Krankenhäuser.

Jetzt aus der Defensive den Wahlkampf zu führen, kostet viel Kraft. Haben Sie persönlich nie an Rücktritt gedacht, und wäre es für die SPD trotz Ihrer guten Beliebtheitswerte im Land nicht vielleicht einfacher, mit einem anderen Kandidaten in die Wahl zu gehen?

Stephan Weil: Nein, ich habe zu keiner Sekunde daran gedacht, aufzuhören. Ich bin sehr mit mir im Reinen und gleichzeitig ein durchaus selbstkritischer Mensch. Aber wenn ich jetzt sehe, was für Vorwürfe es gibt, muss ich sagen: Die Vorwürfe sind falsch und vor allem böswillig konstruiert….

….Sie meinen die Anschuldigungen vom Wochenende, VW habe Ihre Regierungserklärung von 2015 weich gespült...

Stephan Weil: … und deswegen bin ich ausgesprochen motiviert, eine solche Kampagne nicht unwidersprochen zu lassen. Vor allem freut es mich, dass ich sehr erkennbar das Vertrauen meiner Partei habe.

Bisher hat es immer geheißen, Sie und der CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann seien als eher ruhige Politiker-Typen Garanten eines fairen Wahlkampfs. Nun haben Sie Althusmann für Schärfen verantwortlich gemacht. Glauben Sie, dass die CDU-Führung die Abgeordnete Twesten gezielt aus der Grünen-Fraktion herausgebrochen hat?

Stephan Weil: Ehrliche Antwort: Ich weiß es nicht. Aber mich und viele andere Menschen macht es stutzig, wenn die Hauptbetroffene selbst nachweislich von unseriösen Angeboten gesprochen hat. Wer hat das gemacht, und mit welchem Inhalt? Das schreit nach Aufklärung. Die Wählerinnen und Wähler sollten wissen, ob das sauber zugegangen ist oder nicht.

Was ist denn ein unmoralischen Angebot? Ein Jobangebot im Fall des Wechsels oder auch, wenn die CDU einfach sagt: Komm zu uns, wenn Du Dich bei den Grünen nicht mehr wohlfühlst?

Stephan Weil: Letzteres wäre für sich genommen sicher nicht unmoralisch. Aber nicht einmal das wird von Herrn Althusmann eingeräumt. Man muss wissen, um was es geht, dann hat niemand einen Anlass, von unmoralisch zu sprechen. Aber nun steht der Begriff im Raum, von Frau Twesten selbst benutzt. Es bleiben viele Fragen.

Die Gräben zwischen den Parteien sind ja nun in Niedersachsen wieder tiefer geworden. Können Sie sich als SPD-Landesvorsitzender noch eine große Koalition mit der CDU vorstellen?

Stephan Weil: Es ist für eine Demokratie niemals gut, wenn anstelle des Streites um die Sache ein inhaltsleerer Streit um die Macht entsteht. Was ich der CDU vorwerfe ist, dass sie fünf Monate vor einer sowieso anstehenden Wahl die erste Gelegenheit beim Schopf gepackt hat, eine demokratische Entscheidung der Wählerinnen und Wähler umzudrehen. Das war meines Erachtens sehr unüberlegt und schädlich für unsere Demokratie. Darüber wird im Wahlkampf zu reden sein. Macht kann niemals Selbstzweck sein.

Die FDP hat deutlich gemacht, dass sie ein Misstrauensvotum gegen Sie im Landtag nicht will. Vorbote einer „Ampel“ nach der Wahl?

Stephan Weil: Das wird die FDP selbst sicherlich dementieren, und auch ich habe derzeit keinen Anlass, darüber nachzudenken. Wir haben im Moment klare Lager in Niedersachsen. Rot-Grün auf der einen und Schwarzgelb auf der anderen Seite. Das ist nicht das, was ich mir wünsche, aber ich kann auch mit solchen Bedingungen umgehen.