Hannover. Ministerpräsident Stephan Weil über den Verlust seiner Koalition und sein Verhältnis zur CDU und Landeschef Althusmann.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil geht von einem harten Wahlkampf vor der Landtagswahl aus. Trotz der Erfahrungen der vergangenen Tage würde der SPD-Politiker aber erneut ein Bündnis mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit eingehen.
Herr Weil, die CDU wollte am Tag der Bundestagswahl auch den neuen Landtag wählen lassen. Nun wird aber erst am 15. Oktober gewählt. Haben Sie sich durchgesetzt?
Stephan Weil: Ich habe immer wieder betont, dass ich den frühest möglichen Termin haben wollte. Wenn es der 24. September gewesen wäre, wäre ich damit einverstanden gewesen. Ich habe aber auch darauf hingewiesen, dass man am Ende vor allem auf das Urteil der Experten hören muss. Denn für die Durchführung rechtmäßiger Wahlen ist in Deutschland vieles zu bedenken. Ich bin froh, dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen sind.
Ein vernünftiges Ergebnis oder auch ein Erfolg im Duell mit ihrem Herausforderer Bernd Althusmann?
Ich bin jedenfalls recht zufrieden aus dem Raum herausgegangen.
Angenommen die CDU mit Angela Merkel gewinnt die Bundestagswahl. Hoffen Sie, dass die politische Stimmung in den drei darauffolgenden Wochen zugunsten der SPD umschlägt?
Mir geht es darum, so früh wie möglich eine Klärung der politischen Verhältnisse herbeizuführen. Ob der eine oder andere Wahltermin für die SPD und mich günstiger ist, wird man hinterher sehen.
Wie belastet wird der Wahlkampf nach den Ereignissen der vergangenen Tage sein?
Nach den Erfahrungen der letzten Tage gehe ich von einem eher harten Wahlkampf aus. Das bedauere ich. Ich habe mir immer gewünscht, dass wir in der Landespolitik sachlicher miteinander umgehen können. Das fällt erkennbar gerade den Abgeordneten der Opposition schwer. Der Wechsel der Abgeordneten Twesten von den Grünen zur CDU hat eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen, die seither diskutiert werden. Es gibt mehrere Menschen, die sagen, Frau Twesten hätte zu unterschiedlichen Zeitpunkten von unseriösen Angeboten gesprochen, die ihr vorlagen. Auch die Meldung vom Wochenende, ich hätte mir eine Regierungserklärung von VW schreiben lassen, betrachte ich als ein Wahlkampfmanöver, das ich für unverantwortlich halte.
Ist nicht das Vorgehen der CDU, auf ein Misstrauensvotum gegen Sie zu verzichten, als Zeichen der Entspannung zu werten?
Ich glaube, dass die CDU den Schwur fürchtet, weil sie schlichtweg keine Mehrheit für ein konstruktives Misstrauensvotum hat. Die FDP hat sich jedenfalls in dieser Hinsicht stets distanziert geäußert. Auch in den eigenen Reihen wird sich die CDU in dieser Hinsicht vielleicht nicht auf alle verlassen können. Deshalb war für mich die Frage des Misstrauensvotums immer nur theoretischer Natur.
In der öffentlichen Diskussion wird nach dem Fraktionsaustritt von Elke Twesten gelegentlich auch die Verlässlichkeit der Grünen infrage gestellt. Haben Sie Zweifel oder würden Sie erneut ein rot-grünes Bündnis eingehen?
Ja, Rot-Grün bleibt meine Wunschkoalition, daran hat sich nichts geändert. Wir blicken zurück auf viereinhalb Jahre sehr erfolgreiche Landespolitik. Denken Sie an die Rekordbeschäftigungslage, den ersten Haushalt ohne neue Schulden, die historisch hohe Zahl an Polizeibeamtinnen und -beamten oder die Abschaffung des Turbo-Abiturs.
Das gilt auch, wenn Rot-Grün am Wahlabend wieder nur ein Mandat mehr hätte als Schwarz-Gelb?
Ja. Die Unkenrufe, was die Mehrheit angeht, haben uns vom ersten Tag unserer Arbeit begleitet. Ich bin zudem zuversichtlich, dass die Grünen bei ihrem Listenparteitag am Wochenende sehr sorgfältig sein werden.
Wann haben Sie erstmals Wind davon bekommen, dass bei den Grünen im Fall Twesten Gefahr im Verzug ist? Das Thema war bei ihrem Koalitionspartner ja bekannt.
Ehrlich gesagt mit der Ankündigung der Pressekonferenz am Freitag.
Hätte Sie von der massiven Unzufriedenheit der Abgeordneten als Chef der Koalition nicht früher erfahren müssen?
Ich bin nicht Teil der grünen Kommunikation, auch wenn Frau Twesten mich über ihren Kummer, nicht mehr nominiert worden zu sein, wie viele andere auch - informiert hat. Ihre ehemalige Fraktionschefin Anja Piel hat sehr klar gesagt, in welcher Weise sie sich gekümmert hat. Ganz am Ende ist es so, dass man Reisende auch als Fraktionsvorsitzende nicht aufhalten kann.
Was hat sich in den vergangenen Tagen an ihrem Verhältnis zur CDU geändert?
Das ist nicht besser geworden. Dass wir sehr dicht vor einer ohnehin anstehenden Wahl einen Wechsel der Mehrheit erleben - mit allen daraus folgenden Konsequenzen für die Stabilität der Politik -, bringt zum Ausdruck, dass die CDU Macht um jeden Preis will.
Welche Rolle spielt dabei CDU-Landeschef Althusmann?
Darüber will ich nicht urteilen. Aber als Parteivorsitzender hat er natürlich Verantwortung für das Auftreten der CDU. Leider ist mit seinem Wiedererscheinen auf der politischen Bühne keine Entspannung, sondern eine weitere Zuspitzung entstanden.
Noch einmal zur Diskussion über die Regierungserklärung, die Sie zur rechtlichen Prüfung vorab an VW gegeben haben. Haben Sie zu sehr das Konzerninteresse und zu wenig die Rolle des Aufklärers im Blick?
Nein, ich bin meiner Verantwortung gerecht geworden. Der Vorgang mit der Regierungserklärung ist völlig korrekt gelaufen und in einer vergleichbaren Situation würde ich mich wieder genauso verhalten. Denn ich musste als Mitglied des VW-Aufsichtsrats und als Ministerpräsident größtes Interesse haben, dass meine Äußerungen keine unübersehbaren Konsequenzen mit sich bringen. Im übrigen ist das Thema seit mehr als einem Jahr in der Landespolitik bekannt. Darüber ist ausführlich im Wirtschaftsausschuss berichtet worden.