Celle. Die Tochter wurde ermordet. Der Täter ist auf freiem Fuß. Jahrzehnte nach dem grausigen Verbrechen hat der Vater erneut geklagt.

Vor fast 35 Jahren wurde die 17-jährige Frederike ermordet – in einer Berufungsverhandlung um eine Schmerzensgeldklage hat ihr Vater jetzt einen Rückschlag erlitten.

Zwar verkündeten die Richter des Oberlandesgerichts Celle am Mittwoch noch keine offizielle Entscheidung über die Frage, ob sie die Klage des Vaters zulassen. „Der Vorsitzende hat aber deutlich gemacht, dass das Gericht Zweifel an unserer Klage hat“, sagte Anwalt Wolfram Schädler.

Vater Hans von Möhlmann fordert 7000 Euro

Der Vater, Hans von Möhlmann, will 7000 Euro von dem Mann, den er für den Mörder seiner Tochter hält - wegen erlittener seelischer und körperlicher Beeinträchtigungen. Die Richter begründeten ihre Zweifel am Mittwoch vor allem mit dem Ablauf der sogenannten absoluten Verjährungsfrist. Demnach verfällt in einem Zivilverfahren laut Gesetz der Anspruch auf Schmerzensgeld nach 30 Jahren - unabhängig davon, wie kompliziert und grausam ein Fall ist. Eine offizielle Entscheidung darüber, ob sie die Klage zulassen, wollen die Richter aber erst Mitte April verkünden.

Ein heute 57-jahriger Mann wurde 1982 zu lebenslanger Haft verurteilt

In dem Fall um die vergewaltigte und ermordete Frederike war im Jahr 1982 ein heute 57-jähriger Mann zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil aus Mangel an Beweisen jedoch auf und sprach den Verurteilten frei. Erst 2012 tauchten wegen der besseren technischen Möglichkeiten neue DNA-Spuren auf, die den Freigesprochenen schwer belasten könnten. Doch strafrechtlich kann der Mann nach dem Freispruch nicht mehr belangt werden.

Von Möhlmanns Anwalt widersprach deshalb dem Argument des Oberlandesgerichts: Sein Mandant habe innerhalb der absoluten Verjährungsfrist gar nicht die Chance gehabt, jemanden auf Schmerzensgeld zu verklagen, da es keinen Täter gegeben habe. Doch war der Ablauf der Frist nicht das einzige Argument der Richter.

Der Vorsitzende des Zivilsenats am Celler Oberlandesgericht, Reinhard Saathoff, betonte am Mittwoch immer wieder, worum es in der aktuellen Verhandlung eigentlich gehe: Nicht die Vergewaltigung und der Mord an dem damals 17-jährigen Mädchen würden gesühnt werden. Gegenstand der Klage sei einzig die Frage, ob Hans von Möhlmann durch die Mitteilung des Mordes seelische und körperliche Beeinträchtigungen erlitten habe, die über das normale Maß hinaus gingen. Nur dann hätte sein eigener Anspruch auf Schmerzensgeld Aussicht auf Erfolg.

Doch schon an diesem Punkt äußerten die Richter Zweifel. Es sei unklar, ob Möhlmann nicht bereits vor der Nachricht vom grausamen Tod seiner Tochter in psychiatrischer Behandlung gewesen sei. Außerdem habe er damals selbst in der sogenannten kurzen Verjährungsfrist von drei Jahren keinen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend gemacht, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein mutmaßlicher Täter ermittelt worden war.

Hans von Möhlmann bewertete den Verhandlungstag als einen weiteren Rückschlag, auch wenn die offizielle Entscheidung des Gerichts über seine Klage noch aussteht. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagte er. „Sollte das Gericht die Möglichkeit der Revision zulassen, werden wir prüfen, ob wir diesen Weg weiter gehen“, sagte sein Anwalt, Wolfram Schädler.

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil gegen den mutmaßlichen Mörder auf

Im November 1981 wird die damals 17 Jahre alte Frederike in einem Waldstück vergewaltigt, erstochen und entsetzlich zugerichtet liegen gelassen. Bereits wenige Monate später verurteilt das Landgericht Lüneburg den mutmaßlichen Täter zu lebenslanger Haft. Doch der Bundesgerichtshof hebt das Urteil auf. Im Mai 1983 wird der heute 57-jährige von dem Tatvorwurf freigesprochen - aus Mangel an Beweisen.

Jahrzehnte lang muss der Vater mit der Überzeugung leben, dass der Mann, den er für den Vergewaltiger und Mörder seiner Tochter hält, frei herumläuft. 2012 tauchen neue DNA-Spuren auf, die den Freigesprochenen schwer belasten könnten. Zu einem neuen Strafverfahren kommt es jedoch nicht. Die Verfassung sieht vor, dass in Deutschland kein Verdächtiger nach einem Freispruch in der gleichen Sache noch einmal angeklagt werden kann - es sei denn, er gesteht die Tat.

Die erste Klage auf Schmerzensgeld wurde abgelehnt

„Das ist der übergeordnete Konflikt, der über dieser Sache schwebt“, sagte der Anwalt des Beschuldigten, Matthias Waldraff. Was dem Vater bleibt, ist der Weg vor ein Zivilgericht, den er gemeinsam mit seinem Anwalt Wolfram Schädler im Herbst 2015 beschreitet. Sie verklagen den Beschuldigten auf Schmerzensgeld wegen körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen - und scheitern. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld sei inzwischen verjährt, entscheidet das Landgericht Lüneburg im Herbst 2015 und lehnt die Klage ab.

Das Oberlandesgericht Celle verhandelt nun im Berufungsverfahren über diese Klage. „Wir fechten das Urteil des Landgerichts mit dem Argument an, dass mein Mandant gar keine Chance hatte, seinen Anspruch rechtzeitig zu stellen“, sagte Verteidiger Schädler am Dienstag.

Damit geht der Kampf des Vaters vor einem Zivilgericht in die zweite Runde. Eine Entscheidung über eine strafrechtliche Schuld oder Unschuld wird dabei nicht fallen. Für vergleichbare Fälle in Zukunft wäre hier eine Gesetzesänderung nötig.