Hambühren . DNA-Spuren belasten einen 56-Jährigen, 1981 ein Mädchen getötet zu haben – doch der Mann wurde schon einmal freigesprochen.

Hans von Möhlmann ist erschöpft, aber er will nicht aufgeben. Der Gedanke, dass der Mord an seiner Tochter ungesühnt bleiben könnte, ist schier unerträglich für den 72-Jährigen. „Ich bin seit über 30 Jahren auf der Suche nach dem Mörder meiner Tochter“, sagt er. Frederike war 17 Jahre alt, als sie im November 1981 als Anhalterin in ein Auto stieg. Die Schülerin aus Hambühren wurde in einem Wald in der Nähe ihres Heimatortes bei Celle vergewaltigt, erstochen und entsetzlich zugerichtet liegen gelassen. Vor Kurzem sah es so aus, als könnte der Vater den Mörder seiner Tochter endlich gefunden haben.

Experten des Landeskriminalamtes in Hannover hatten sich die alten Beweismittel mit neuen Untersuchungsmethoden noch einmal vorgenommen und DNA-Spuren gesichert, die einen 56-Jährigen stark belasten. Dieser Mann war bereits 1982 in dem Mordfall schuldig gesprochen worden. Allerdings hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf, und der Verdächtige wurde 1983 vom Landgericht Stade aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Hier liegt das Problem: In Deutschland kann kein Verdächtiger nach einem rechtskräftigen Freispruch in der gleichen Sache noch einmal angeklagt werden – es sei denn, er gesteht die Tat.

„Als ich aus dem Bericht des LKA erfahren habe, dass DNA gefunden wurde, habe ich geweint vor Erleichterung. Endlich hatte ich Gewissheit“, erinnert sich der Vater des Opfers. Umso größer war sein Entsetzen, als er erfuhr, dass die entdeckten Beweismittel aufgrund des Freispruchs nicht ausreichen, um einen neuen Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder seiner Tochter aufzurollen. Der frühere Sozialarbeiter Hans von Möhlmann kämpft dennoch gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Wolfram Schädler für eine Wiederaufnahme des Verfahrens. „Ganz gleich, wie der Kampf ausgeht, wir müssen ihn für Frederike kämpfen“, sagt Schädler. „Sie durfte ihr Leben nicht mehr führen, wohl aber ihr Täter.“ Und der Vater ergänzt: „Für mich ist es nicht zumutbar, dass er frei herumläuft. Ich habe Hoffnung, dass er noch hinter Gitter kommt.“

Zivilklage auf Schadensersatz gegen 56-Jährigen

Strafrechtlich steckt von Möhlmann in einer Sackgasse. Nun will er den Umweg über eine Zivilklage gehen, um trotzdem auf den Fall aufmerksam zu machen. Frederikes Vater und sein Anwalt haben eine Zivilklage auf Schadensersatz gegen den 56-Jährigen beim Landgericht Lüneburg eingereicht. Im Zivilprozess soll sich der Tatverdächtige endlich zu den Vorwürfen äußern.

Der Rechtsanwalt des 56-Jährigen, Matthias Waldraff, hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Ansprüche seien verjährt. Der Freispruch seines Mandanten sei unverändert gültig. „Wir dürfen ihn nicht sozial ächten“, betont Waldraff und verweist darauf, dass es sich bei der DNA-Spur nur um einen neuen Verdacht handele.

Der grausige Tod des jungen Mädchens erinnert an den Mordfall Sonja Ady. Die 16-jährige Schülerin war am 23. August 1987 nach einem Discobesuch ermordet worden. Ein Landwirt entdeckte ihre gefesselte und geknebelte Leiche auf einem Feldweg im Kreis Rotenburg. Rechtsmediziner zählten 67 Messerstiche im Hals-, Brust und Genitalbereich. Der Fall war bereits zu den Akten gegangen – bis 2008 DNA-Spuren an einer Socke und einem Strick einem 43 Jahre alten Mann zugeordnet werden konnten. Er wurde vom Landgericht Stade zunächst freigesprochen, weil ein Gutachten Zweifel an der Zuverlässigkeit der DNA-Spuren aufbrachte. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil allerdings wieder auf und verwies den Fall an das Landgericht Verden. Der zweite Prozess endete ebenfalls mit einem Freispruch – auch der Mord an Sonja Ady wird wohl für immer ungesühnt bleiben

Unterdessen beschäftigt der Fall Frederike auch die niedersächsische Politik. Die CDU-Fraktion forderte Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) dazu auf, die für viele Menschen nicht nachvollziehbare Rechtslage bei der nächsten Justizministerkonferenz zum Thema zu machen. Die Ministerin sieht aber keinen Anlass dafür. „Das Grundgesetz verbietet grundsätzlich, Täter wegen derselben abgeurteilten Tat erneut zu verfolgen. Ich kann jedoch nachempfinden, wenn dies geltende Recht bei Angehörigen von Opfern die Grenzen des persönlich Erträglichen überschreitet.“