Erst ein Foto, dann ein Wutausbruch: Ex-Regierungssprecher Olaf Glaeseker schont im Prozess den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Der fährt dennoch aus der Haut.
Hannover. 25 Monate. Auf den Tag. So lange ist es her, dass der Bundespräsident Christian Wulff seinen langjährigen Vertrauten Olaf Glaeseker vor die Tür des Schlosses Bellevue gesetzt hat. Seitdem haben sich die beiden noch zwei Mal gesehen. Zuletzt im Juni 2012, bei Christian Wulffs Geburtstagsfeier. Von da an herrschte Funkstille. Kein Kontakt. Kein Gespräch. Nichts. Bis zu diesem Moment. Bis zu diesem knappen: „Hallo Olaf.“
So begrüßt Christian Wulff seinen einstigen Regierungssprecher an diesem Mittwochvormittag vor dem Schwurgerichtssaal des Landgerichts von Hannover. Glaeseker grüßt knapp zurück. Ein kühler, unverbindlicher Handschlag, dann geht der Angeklagte Wulff weiter in den Gerichtssaal. Der Zeuge Glaeseker muss noch einen Moment warten. Dann ruft ihn Richter Frank Rosenow auf. Er möge bitte zunächst einmal schildern, wann und wie er Wulff kennengelernt habe.
„1993“, antwortet Glaeseker und beschreibt dann kursorisch die gemeinsame Geschichte dieses einst unzertrennlichen Duos. Von der Einstellung des Journalisten als CDU-Pressesprecher in Niedersachsen. Über die beiden erfolgreichen Wahlkämpfe der Jahre 2003 und 2008, den Wechsel ins Schloss Bellevue. Bis zum Rausschmiss. Zur absoluten Funkstille.
Zu den Ereignissen auf dem Oktoberfest weiß Glaeseker wenig beizutragen
Tastend, mit vielen Pausen beantwortet Glaeseker die Fragen des Richters. Seine Aufgaben, „der Aufbau und die Pflege von Netzwerken gehörten zu meinem Kerngeschäft“. Sein Verhältnis zu Wulff, dessen Verständnis von Großzügigkeit. Der Ex-Chef, sagt Glaeseker sei „so ein Tankstellentyp, der muss immer Saft oder was Süßes kaufen“. David Groenewold, der mitangeklagte Filmfinancier „ein herzensguter Mensch“.
Kontakte zwischen Staatskanzlei und Filmindustrie allerdings, diese klare Abgrenzung nimmt Groenewold- Freund Glaeseker gleich zu Beginn seiner Befragung vor, habe nicht in seiner Zuständigkeit gelegen. Damit ist der Weg frei zu einer Zeugenaussage, die unterm Strich niemandem wehtut.
Wenn es um die dienstlichen Berührungspunkte zwischen Wulff und Groenewold geht, war Olaf Glaeseker nach eigener Aussage bestenfalls am Rande involviert; einem Ort, an dem die Erinnerungslücken erfahrungsgemäß recht groß sind. „Von dem von Groenewold- Film „John Rabe“, den Wulff laut Anklage gefällig gefördert haben soll, habe er so recht erst kurz vor dessen Premiere auf der Berlinale Kenntnis genommen, berichtet Glaeseker. An Wulffs vorheriges Engagement für diesen Streifen kann er sich gar nicht erinnern. Auch zu den Ereignissen auf dem Oktoberfest 2008, zu dem Groenewold Wulff eingeladen hatte und die die Staatsanwaltschaft als Vorteilsannahme wertet, weiß Glaeseker wenig beizutragen. Zwar sei er damals eingeladen gewesen, dann aber krank geworden.
Andererseits kann der Zeuge etwas beitragen zu einer wichtigen Frage: Ob die Einladung Wulffs durch Groenewold eher Ausfluss einer engen Freundschaft oder eher der eines geschäftlichen Kalküls gewesen sei. Die beiden seien befreundet gewesen, berichtet Glaeseker und verweist auf den Wochenbett- Besuch Groenewolds beim Ehepaar Wulff. „Das“, sagt der Regierungssprecher, „hätte ich jedenfalls nur Familienmitgliedern und engsten Freunden erlaubt“.
Es ist das Pikante an dieser Aussage, dass Christian Wulff in zwei Wochen seinerseits als Zeuge in jenen Prozess geladen ist, in dem Olaf Glaeseker wegen Bestechlichkeit angeklagt ist.
Einem Vorwurf, der unter anderem auf einer früheren Aussage Wulffs bei der Staatsanwaltschaft beruht. Bliebe Wulff in zwei Wochen bei seiner damaligen Sicht der Dinge, sänken die Chancen des Angeklagten Glaesekers, mit dem Schrecken davonzukommen, in Richtung der Nulllinie.
Glaeseker bringt Wulff Freispruch näher
Der Zeuge Glaeseker liefert dagegen einen Auftritt, der seinen Ex-Chef einem Freispruch ein weiteres Stück näherbringt. Selbst Chefankläger Clemens Eimterbäumer, der Glaesekers Befragung beantragt hatte, gesteht schließlich ein, dass diese wenig gebracht habe. Allerdings legt der Oberstaatsanwalt am Ende der Befragung noch ein Foto vor, das für Aufregung sorgt im Schwurgerichtssaal.
Das Bild zeigt Christian Wulff grinsend am Vorabend des Oktoberfests in München, einem Zeitpunkt also, an den sich die beiden Angeklagten an früheren Verhandlungstagen nicht so recht erinnern mochten. Schon gar nicht an ein gemeinsames Treffen oder gar einen gemeinsamen Restaurantbesuch. Wulff hat ein kleines Schild in der Hand. Darauf ein Genesungswunsch für den Erkrankten Glaeseker. „Gute Besserung – we miss you“. Geschossen wurde der Schnappschuss offenbar von Groenewold an jenem umstrittenen Abend.
Es ist diese Szene dieses vermutlich viertletzten Prozesstages im Wulff-Verfahren, bei der das Ex-Staatsoberhaupt fast aus der Haut fährt. Er könne sich auch nach Paragraf 233 der Strafprozessordnung von der weiteren Teilnahme an diesem Verfahren befreien lassen, ruft Wulff mit drohendem Unterton Einterbäumer zu. Für einen Moment denkt man sogar, dass er die Anklagebank wütend verlassen will. Doch dann legt Verteidiger Michael Nagel dem wütenden Wulff die Hand auf die Schulter, und dieser beruhigt sich schnell wieder. Nachdem er Glaeseker als Zeugen entlassen hat, gibt Richter Frank Rosenow seine weitere Planung bekannt. Am 27. Februar könnte ein Urteil gesprochen werden. Nach Einschätzung der meisten Prozessbeobachter kann es nur auf Freispruch lauten.