Abendblatt-Reporterin Carolin George besucht vom Elbhochwasser bedrohte Orte in Niedersachsen. Eine Reportage über verwaiste Hotels, Einsatzbereitschaft und Optimismus.

Unterschiedlicher könnte das Bild eines Wochenendes kaum aussehen: In Lauenburg verlassen die Menschen in der Altstadt ihre Häuser, am Bleckeder Hafen hat es die Besitzerin des Elbhotels längst getan. Die große Eingangstür ist mit Sperrholz und Sandsäcken abgesperrt, auf der Straße schwimmen Enten. Eine Fahrt von Bleckede nach Hitzacker entlang der Elbuferstraße – die für Autofahrer ohne Berechtigung seit Tagen gesperrt ist und von der Polizei bewacht wird.

Alt Garge

Werner Schulze sitzt auf einer Bank in der Sonne und sieht aufs überflutete Deichvorland. „Wichtig sind Überschwemmungsflächen“, sagt das Mitglied der Bürgerinitiative Altlastenfreies Elbtal, die für die Auskofferung einer nahen Mülldeponie des ehemaligen HEW-Kraftwerks kämpft. „Hier könnte gleich damit angefangen werden: Die alten Aufschüttungen müssen weg, dann hat die Elbe hier mehr Platz.“

Klein Kühren

Wo sonst Zelte und Campingwagen stehen, ragt am Sonnabend nur noch ein Wasserhahn aus dem See. Was für den Platz „Zum Göpel“ ansonsten der große Pluspunkt ist – kein Deich zwischen Campern und Elbe, nur Auewiesen -, wird bei diesem Hochwasser zum Problem. „Wir haben alle Stromkästen abgebaut“, sagt Inhaberin Gabi Baake. Den leicht erhöhten Bereich der Dauercamper haben Helfer mit einem selbst gebauten Minideich aus Sandsäcken geschützt. „Ich hoffe, dass wir mit blauen Augen davonkommen.“ Ihre Saison, sagt Gabi Baake, ist „gegessen“.

Dauercamperin Veronika Südekum steht am Grill, brät Gemüse und Würste für sich und ihren Mann. Seit 2000 haben sie einen Platz ganz vorne zum Fluss hin. „Wir fahren erst, wenn es ganz heftig wird“, sagt die Rentnerin. „Den Wagen lassen wir stehen.“

Drethem

Jürgen Peters wohnt schon Jahrzehnte in Drethem an der Elbe. Zwischen dem Grundstück seiner Eltern und dem Fluss gibt es keinen Deich. Trotzdem sitzt er am Wochenende entspannt unter der Markise und blickt auf das Wasser, wo sonst Wiesen sind. „Wir brauchen keinen Deich“, sagt Peters. Laut den Prognosen an diesem Nachmittag passiert ihm nichts, sein Vater macht Witze über sein „Haus am See“ und „Bad Drethem“. Sie haben Glück, ihr Zuhause liegt einen Tick weiter höher am Hang als das einer Nachbarin – bei ihr steht die Elbe bereits an der Terrasse. „Der Keller ist schon unter Wasser“, sagt sie. Hochgeschleppt hat sie ihr Hab und Gut aus dem Erdgeschoss noch nicht, doch dafür reicht ein Anruf bei Freunden.

Kniepenberg

Der Parkplatz vor dem Aussichtsturm auf dem Kniepenberg bei Tießau ist gut frequentiert. Helga und Eberhard Liebe steigen aus ihrem Smart-Cabrio, stiefeln die Stufen zur Plattform hinauf. „Wir waren schon oft hier“, sagt das Ehepaar aus der Nähe von Salzwedel. Wo die beiden früher die „Sofa-Tour“ von Hitzacker auf der Elbe gemacht haben, blicken sie jetzt staunend hinab. „Von weiter weg kann man sich den Anblick gar nicht vorstellen. Vorige Woche waren wir noch auf dem Campingplatz im sächsischen Altenberg, sind gerade noch rechtzeitig vor der Flutwelle weggekommen.“ Jetzt machen sie Bilder für ihre Freunde zu Hause – damit auch die eine Vorstellung von dem „Wahnsinn“ bekommen. „Und wir haben uns gedacht, wenn wir niemanden stören, ist das in Ordnung.“

Tießau

Als Waltraut Janke an diesem Morgen aufgewacht ist und aus ihrem Wohnmobil guckte, war da ein Teich, der am Abend vorher noch nicht da war. Ans Abreisen denkt sie trotzdem nicht, zu schön ist es auf dem kleinen Platz zwischen Elbe und Elbuferstraße – wo die Störche über ihren Kopf fliegen und abends völlige Ruhe herrscht. Nur, dass es morgens nicht „auf einmal gluckert unterm Wagen“, hofft ihr Partner Willy Gronwald. „Ansonsten sind wir total entspannt.“ Freunde haben sich an die Stirn getippt, als sie hörten, dass das Paar seine Reisepläne trotz Hochwasserwarnungen nicht ändern will. Doch die beiden blieben stur – und bereuen nichts.

Hitzacker

Philipp Kornadt hält vom Weinberg sein Handy in die Höhe, knipst den Blick auf die Stadt. Der junge Mann wohnt ein paar Dörfer weiter in der Marsch, will sich von hier oben einen Überblick verschaffen. Elektronische Geräte hat er schon in den ersten Stock gebracht. „Bei uns macht das Sickerwasser Probleme: Wenn das Grundwasser zu hoch drückt.“

Im Hotel Scholz oben auf dem Berg der Elbstadt kümmert sich Viola Radebold um ihre Gäste – allesamt Medienleute. „100 Prozent haben ihre Zimmer storniert, vor allem Urlauber, die den Elberadweg fahren wollten“, sagt sie. „Hätten wir den NDR nicht hier, wäre das eine Katastrophe.“ Sie kann dem Hochwasser trotzdem etwas Gutes abgewinnen: „Unsere Stadt wird bekannt dadurch. Noch heute fragen Gäste nach dem Hochwasser 2002. Hier ist es so schön, und es ist schade, dass die Region nicht bekannter ist.“ Sorgen macht ihr neben dem langen Hochwasserstand der Elbe vor allem die Jeetzel. „Wir haben wilde Galloways auf den Wiesen. Die Weiden sind jetzt schon nass, einfangen lassen sich die Tiere nicht.“

Auf der Terrasse des Hotels Waldfrieden mit Blick auf die Elbe isst Horst Stange zu Mittag. Er kommt aus Dannenberg, fährt mit seiner Mutter häufig am Wochenende her – auch an diesem, trotz des Hochwassers. „Die Gastronomie darf ja nicht darunter leiden. Außerdem interessiert es uns, wie die Lage hier an den Deichen aussieht. Toll, wie viele junge Leute geholfen haben, sie zu erhöhen.“