Möglicherweise wurden mehr als 6000 Höfe mit verseuchtem Tierfutter beliefert. Der grüne niedersächsische Landwirtschaftsminister ist verärgert über die Futtermittelindustrie.

Hannover. Von dem Skandal um verseuchtes Tierfutter sind offenbar deutlich mehr Landwirte betroffen als bisher vermutet. Die Behörden seien auf ein weiteres Futtermittelunternehmen gestoßen, das mit dem vom Schimmelgift Aflatoxin verseuchten Mais beliefert wurde, teilte das niedersächsische Landwirtschaftsministerium am Sonnabend mit. Damit steige die Zahl der betroffenen Betriebe wahrscheinlich von 3560 auf 6457. Mögliche Doppelnennungen auf den verschiedenen Listen würden derzeit noch überprüft. Ob auch Betriebe außerhalb Niedersachsens betroffen waren, stand zunächst nicht fest.

Zu den Abnehmern des Futters gehören auch Milchviehbetriebe, deren Milch nun ebenfalls kontrolliert werden soll. Mit den amtlichen Kontrollen hatte das Land Niedersachsen am Samstagnachmittag begonnen. Erste Ergebnisse sollen voraussichtlich erst am Sonntag vorliegen. Es gab zunächst keine Angaben darüber, wie viele Betriebe insgesamt überprüft werden sollten.

Futtermittelhersteller hätten Vertriebslisten verspätet beim Land eingereicht, erklärte das Ministerium. Sie hätten die Unterlagen bereits am Dienstag abgeben müssen – drei Unternehmen hätten das aber erst am späten Freitagnachmittag getan.

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) übte scharfe Kritik: „Die verzögerte Zustellung zeigt, dass die Zusage der Wirtschaft, Daten im Rahmen der Rückverfolgbarkeit innerhalb kürzester Zeit vorzulegen, nicht funktioniert“, sagte er laut Mitteilung. Er hatte zuvor stärkere staatliche Kontrollen gefordert.

Unterdessen teilte die Landesvereinigung der Milchviehwirtschaft Niedersachsen mit, dass auch bei Kontrollen am Samstag keine auffälligen Werte festgestellt worden seien. Alle Untersuchungsergebnisse lägen bislang weit unter dem gesetzlich festgelegten Grenzwert. Milchwirtschaft und Behörden prüfen parallel.

Die betroffenen Betriebe der Landwirte sind nach Angaben des Ministeriums zunächst gesperrt. Sollten sich die Proben als unbelastet herausstellen, dürfen die Landwirte die Milch wieder an die Molkereien liefern. Für den Fall, dass die Grenzwerte tatsächlich überschritten sind, müsste die Milch vernichtet werden.

Allerdings dürften viele Landwirte die zunächst gesperrte Milch tatsächlich wegschütten, weil die Lagerkapazitäten erschöpft seien, sagte die Vorsitzende des Landesverbandes Niedersachsen der Milchviehhalter Deutschlands, Johanne Böse-Hartje. „Die Bauern können die Milch ja nicht stapeln.“ Der Schaden sei derzeit nicht zu beziffern.

Wegen des Futtermittel-Skandals hat derVerband der Milchbauern in Schleswig-Holstein vor einem weiteren Abbau von Handelsschranken im Agrarsektor gewarnt. „Unsere Milch, die kontrolliert zu höchsten Standards erzeugt wird, muss dann mit Billigprodukten aus Ländern konkurrieren, in denen Umwelt- und Tierschutz und Lebensmittelsicherheit eine weitaus geringere Rolle spielen“, hieß es am Sonntag in einer Mitteilung des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter BDM in Schleswig-Holstein. Zudem steige das Risiko, dass vergleichsweise billige Futtermittel und verarbeitete Produkte auf den europäischen Markt kommen, die unter ganz anderen Voraussetzungen erzeugt und verarbeitet würden. (dpa)