Tonnenweise vergifteter Futtermais – der dritte Lebensmittelskandal. Doch wer hat Schuld? Neben dieser Frage beherrscht die Forderung nach länderübergreifenden Tests die neu entfachte Debatte.

Berlin. Im Skandal um Tausende Tonnen verseuchten Tierfutters in Deutschland hat die Suche nach den Schuldigen begonnen. Zugleich wurde der Ruf nach mehr und wirkungsvolleren Kontrollen von Lebensmitteln und deren Erzeugerketten lauter. Der Verband der Milchindustrie erklärte Milch und Milchprodukte in Deutschland unterdessen für unbedenklich. Das hätten Proben im Januar und Februar ergeben, teilte der Verband am Sonnabend mit. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht keinen Grund, vor dem Verzehr bestimmter Produkte zu warnen.

Am Freitag war bekanntgeworden, dass aus Serbien importierter Mais mit einem krebserregenden Schimmelpilz vergiftet ist. Der Mais ist auch an Rinder verfüttert worden. Aflatoxin gelangte so in die Milch. Besonders betroffen ist Niedersachsen, wo Hunderte Milchbetriebe vorsorglich gesperrt wurden. Erste Laborergebnisse aus gezielten Untersuchungen in Niedersachsen sollten möglicherweise noch am Samstagabend vorliegen. Futtermittel mit verseuchtem Mais ist auch an wenige Höfe und Betriebe in andere Bundesländer geliefert worden. Bio-Betriebe sind nach ersten Erkenntnissen nicht betroffen.

Der Generalsekretär des Bauernverbandes, Helmut Born, sieht die Schuld im gegenwärtigen Schimmelpilz-Skandal beim Importeur. „Schuld ist in Lebensmittel-Skandalen immer derjenige, der unmittelbar für das Produkt Verantwortung trägt“, sagte Born am Sonnabend. Im Fall des verseuchten Futtermaises habe ein großer Getreideimporteur offenbar eine große Charge Mais mit zu hohen Werten Aflatoxin in Serbien gekauft. Diese habe er an Futtermittelwerke weitergeliefert. „Das durfte er nicht. Das ist schlicht und einfach gesetzeswidrig“, erklärte Born. Damit sei die Schuldfrage eindeutig. Rechtliche Konsequenzen ließ Born offen.

Niedersachsen Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) sagte, die Eigenkontrollen der Agrarindustrie hätten nicht hinreichend funktioniert. „Wir brauchen mehr staatliche Kontrollen und mehr Personal“, sagte Meyer dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Die Kosten dafür sollten der Wirtschaft in Rechnung gestellt werden. So könne der Staat 30 bis 50 Millionen Euro im Jahr sparen. Es sei nicht einzusehen, dass der Steuerzahler dafür aufkommen müsse.

Bauernpräsident Rukwied sagte der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Sonnabend): „Um einen Befall mit Schimmelpilzen auszuschließen, erwarte ich, dass das Futtermittelmischwerk entsprechende Kontrollen durchführt, beispielsweise Eingangskontrollen der Rohprodukte.“ Der Landwirt müsse sich darauf verlassen können, dass geliefertes Futter einwandfrei sei.

Für den Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure ist es Zeit, den Bundesländern die Verantwortung für Lebensmittelkontrollen abzunehmen und die Kräfte zu bündeln, um die Probleme zentral angehen zu können. Der Verbandsvorsitzende Martin Müller forderte in der „Passauer Neuen Presse“ (Sonnabend) europaweit intensivere Kontrollen von Lebensmitteln: „Wir brauchen eine Art Lebensmittel-Europol.“

Foodwatch-Sprecher Martin Rücker sagte, der Bund habe es gescheut, die Futtermittelindustrie zu systematischen Kontrollen zu verpflichten. „Wir haben bei Futtermittelkontrollen erhebliche Schwachstellen, die eigentlich auch bekannt sind“, meinte der Sprecher der Organisation.

In Niedersachsen sind 3500 Höfe mit dem vergifteten Mais beliefert worden. Die Recherche nach dem Alarm eines Milchbauern aus dem Kreis Leer vom 5. Februar hatte noch gut 14 Tage gedauert, bis eine Schiffsladung aus Brake an der Weser als Gefahrenquelle festgestanden habe. Am 22. Februar hätten die Ergebnisse der amtlichen Tests vorgelegen, die eine Belastung der Sendung aus Serbien mit Aflatoxinen über der Höchstmenge belegten.

„Die Aflatoxinergebnisse in der Milch sind derzeit unseres Wissens unauffällig. Bisher sind keine Überschreitungen des Höchstwertes in verarbeiteten Produkten bekannt und werden auch nicht erwartet“, teile der Verband der Milchindustrie mit. Bei Routinekontrollen im Januar und Februar seien etwa 300 Proben aus Milchpools auf den giftgen Schimmelpilz Aflatoxin untersucht worden.

Michael Kühne von der niedersächsischen Kontrollbehörde Laves sagte, die bisher entdeckten Werte in dem verschimmelten und damit giftigem Futter seien viel zu gering, als dass daraus über den Umweg der Kuh am Ende in einer Milchtüte eine Krebsgefahr für die Verbraucher entstehe. Die menschliche Leber sei imstande, die bisher entdeckte Belastung gefahrlos abzubauen.