In Niedersachsen arbeiten rund 250.000 Menschen für weniger als 8,50 Euro die Stunde. DGB fordert gesetzlichen Mindestlohn nach Bremer Vorbild.

Hannover/Wiesbaden. Mehr als 250.000 Menschen in Niedersachsen haben im Jahr 2010 für einen Stundenlohn von weniger als 8,50 Euro brutto gearbeitet. Das sind zwölf Prozent der Arbeitnehmer im Land, teilte der Landesbetrieb für Statistik am Donnerstag in Hannover mit. Bei Menschen unter 25 Jahren war es sogar jeder Dritte, bei Beschäftigten über 65 Jahren 45 Prozent. Der Frauenanteil in dieser Verdienstgruppe lag bei 63 Prozent.

Nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) arbeiteten im Jahr 2010 insgesamt sogar 16 Prozent der Niedersachsen für weniger als 8,50 Euro die Stunde. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass in den Zahlen der Statistiker nur die Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten erfasst worden seien. "Dass so viele Unternehmen ihre Beschäftigten mit Niedriglöhnen abspeisen, ist skandalös", sagte der DGB-Landesvorsitzende Hartmut Tölle.

+++ Volksinitiative für 10 Euro Mindestlohn kann starten +++

+++ DGB fordert Mindestlohn auch in Niedersachsen +++

Er forderte die Landesregierung auf, einen gesetzlichen Mindestlohn nach dem Vorbild Bremens einzuführen. In dem Bundesland gilt ab 1. September ein Mindestlohn von 8,50 Euro sowohl für Beschäftigte im öffentlichen Dienst als auch für Arbeitnehmer in städtischen Unternehmen sowie in Vereinen, Kulturinstitutionen und Sozialverbänden, die öffentliche Fördergelder erhalten.

Soziale Gerechtigkeit tangiert auch Landtagswahl

Das Thema soziale Gerechtigkeit werde bei der niedersächsischen Landtagswahl 2013 mitentscheidend beim Ringen um die Wählergunst sein, sagte der Sprecher der Landesarmutskonferenz, Lars Niggemeyer. Die Spaltung in der Gesellschaft werde tiefer. Diese Tendenz verstärke sich in der aktuellen Krise und sei eine Bedrohung für die Demokratie, sagte er.

Der Landesbetrieb für Statistik hatte vor dem Hintergrund der Diskussion um Mindestlöhne die alle vier Jahre vorgenommene Verdiensttrukturerhebung erstmals unter dem Aspekt eines Stundenlohns von unter 8,50 Euro ausgewertet und will dies auch künftig tun.

Besonders ausgeprägt sind Niedriglöhne im Gastgewerbe und in der Gebäudebetreuung, wo jeweils knapp über 50 Prozent der Beschäftigten für weniger als 8,50 Euro arbeiten. In der Zeitarbeitsbranche waren es 39 Prozent und im Einzelhandel 25 Prozent. Im Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern arbeiteten 2010 insgesamt 23 Prozent der Beschäftigten in dieser unteren Einkommensklasse.

Bilanz für ganz Deutschland

Bundesweit verdienten elf Prozent aller deutschen Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern 2010 weniger als 8,50 Euro in der Stunde. Während in Ostdeutschland 22 Prozent der Berufstätigen in diese Gruppe fielen, war es im Westen jeder zehnte Beschäftigte, so das Statistische Bundesamt. Im Schnitt waren mit 46 Prozent die meisten Betroffenen auf 400-Euro-Basis entlohnte Minijobber, ein Drittel waren Vollzeitbeschäftigte und 21 Prozent Teilzeitbeschäftigte. Dabei waren die Beschäftigten mit einem Stundenverdienst unter 8,50 Euro mit 60 Prozent überwiegend Frauen. In der Gruppe der Vollzeitbeschäftigten waren dagegen die Männer unterhalb dieser Einkommensgrenze in der Überzahl.