Endlager in Gorleben komme nicht mehr in Betracht. SPD reagiert und sieht Vorstoß als Versuch, Koalitionspartner zu gewinnen.
Hannover. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) verlangt eine Neuausrichtung im Umgang mit Atommüll. In einem Brief an Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) empfiehlt McAllister laut einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Mittwochausgabe) Modelle, die auf eine Rückholbarkeit des Atommülls zielen. Danach komme ein Endlager im Salzstock von Gorleben nicht mehr in Betracht, schrieb das Blatt.
McAllister wolle klären, ob das bisherige Konzept, das eine nicht rückholbare Endlagerung unter Tage vorsieht, noch den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, schrieb die Zeitung. Nach den Erfahrungen mit dem Atomlager Asse II müsse eine mögliche Umkehrbarkeit der Entscheidungen künftig eine tragende Rolle spielen.
Die Antwort der SPD lies indes nicht lange auf sich warten. Sie fordert das das Aus für Gorleben. „Gorleben ist tot. Der Ministerpräsident traut es sich nur noch nicht ganz öffentlich zu sagen“, machte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Detlef Tanke, am Mittwoch vor der Plenarsitzung klar. Die SPD sieht in dem Vorstoß des Regierungschefs auch den Versuch, neue Koalitionspartner zu gewinnen. „In der Energiepolitik ist McAllister ein Getriebener“, sagte Tanke.
Hinsichtlich der von McAllister im Brief geforderten Rückholbarkeit sind aus der Sicht Tankes verschiedene Lagerorte denkbar. „Ton und Granit kommen sicher als Lagerstätten infrage.“ Da Niedersachsen mit der Asse und Schacht Konrad eine große Last trage, seien nun andere Länder aufgefordert, zu ihrer Verantwortung zu stehen.
Auch bei Umweltschützern im Wendland stößt der Vorstoß auf Skepsis. Die von McAllister empfohlene Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle sei keineswegs ein Ausschlusskriterium für eine Einlagerung in Salz und den Standort Gorleben, erklärte am Mittwoch die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg.
Zwar sei richtig, dass sich Salz plastisch verhalte und die Behälter umschließe. Bergen lasse sich der Atommüll zur Not aber auch aus dem Salzgestein, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.
In der Asse unterirdisch gelagerter Atommüll muss unter anderem wegen Wassereinbrüchen mit viel Aufwand geborgen werden.
Atomkraftgegner erwarten Castor-Transport zum Advent
Gorleben-Transport: Harsche Kritik von den Grünen
Mit dem Castor-Transport in das Zwischenlager Gorleben Ende November beschäftigt sich heute der niedersächsische Landtag. Die Oppositionsparteien fordern, den Transport wegen der erhöhten Strahlenwerte am Zwischenlager abzusagen und das Beladen der Castor-Behälter in La Hague zu stoppen.
Die Landesregierung hatte den Transport der elf Behälter mit hoch radioaktivem Müll aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Frankreich für November angekündigt. Das Umweltministerium will die Zustimmung zur Einlagerung der elf Castoren aber erst erteilen, wenn der Betreiber die Strahlung am Zaun des Zwischenlagers gesenkt hat. Dort war eine erhöhte Neutronenstrahlung gemessen worden. (dapd)
Der Brief von David McAllister an Bundesumweltminister Norbert Röttgen:
„Sehr geehrter Herr Bundesminister, lieber Norbert,
nach dem einstimmigen Beschluss des Bundesrates vom 17. Juni diesen Jahres soll ’die ergebnisoffene bundesweite Suche (unter Einbeziehung von Gorleben) nach alternativen Endlageroptionen und geeigneten geologischen Formationen in einem transparenten Verfahren’ durchgeführt werden.
Wie Sie wissen, hat das Thema des Umgangs mit radioaktiven Abfällen für Niedersachsen eine besondere Bedeutung, weshalb ich die Zusage der Bundesregierung, bis Ende des Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, sehr begrüße. Im Hinblick auf den Gesetzentwurf möchte ich Ihnen nachstehend Positionen und Überlegungen der Niedersächsischen Landesregierung darlegen und Sie bitten, diese in dem weiteren Verfahren zu berücksichtigen.
Unbeschadet der Zuständigkeit des Bundes enthält der o.g. Beschluss des Bundesrates verschiedene strategische, technische und rechtliche Implikationen, die im Hinblick auf das geplante Gesetz grundsätzlich erörtert und entschieden werden müssen, und zwar vor Festlegung eines Standortauswahlverfahrens. So ist es nach unserer Auffassung notwendig, zunächst zu klären, ob das bisherige Konzept, das eine nicht-rückholbare untertägige Endlagerung nach dem Ende des Einlagerungsbetriebes vorsieht, noch den gesellschaftlichen wie auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügt oder ob nicht auch Konzepte mit einer über die Einlagerungsphase hinaus gehenden Rückholbarkeit zu verfolgen sind. Eine solche rückholbare Lagerung könnte grundsätzlich sowohl untertägig oder oberflächennah in Gesteinsformationen oder aber auch in ober- oder unterirdischen baulichen Einrichtungen erfolgen. Sie könnte ferner dezentral oder auch zentral umgesetzt werden.
In direktem Zusammenhang mit der Möglichkeit der Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle steht die Forderung nach der Umkehrbarkeit der Entscheidungen während der Umsetzung eines Endlagerprojekts, falls die reale Entwicklung von den Erwartungen negativ abweichen sollte. Dies ist ein Maßstab, der nach den Erfahrungen mit der Asse II wieder ein besonderes Gewicht bekommen hat.
In diesem Zusammenhang sollten auch Überlegungen, die langlebigen Isotope im Nuklearabfall in kurzlebige zu “transmutieren„, weiter verfolgt werden. Damit bestünde, ganz im Sinne der Ethikkommission, die Option für zukünftige Generationen, Gefahren und Umfang des Atommülls zu vermindern, wenn entsprechende Technologien verfügbar sein werden.
Im Hinblick auf die Option der Lagerung in geologischen Formationen ist zu klären, welchen Sicherheitsstandard Ton- oder Granitgestein – insbesondere im Vergleich zum Salinar – bieten kann.
Auf der Basis der zu treffenden grundsätzlichen Entscheidungen muss ein Standortsuchgesetz nach Auffassung der Niedersächsischen Landesregierung insbesondere auf folgende Fragen Antworten geben:
– Was ist das Ziel der bundesweiten Suche (Stichworte: rückholbar/nicht rückholbar, Endlagerung in tiefen geologischen Formationen – oder langfristige gebunkerte, oberflächennahe oder oberirdische Zwischenlagerung)?
– Wer führt ein solches Verfahren?
– Welche Kriterien werden dabei zugrunde gelegt, ausschließlich geowissenschaftliche oder auch sozio-ökonomische Kriterien?
– In welcher Phase, in welcher Form und auf welcher Ebene wird die Öffentlichkeit beteiligt?
– Wie werden die zuständigen Landesbehörden eingebunden?
– In welchem Rechtssetzungsverfahren erfolgt die endgültige Standortfestlegung mit Rechtsverbindlichkeit für das betroffene Land und die Bürger?
– Wie wird das Standortauswahlverfahren finanziert?
– In welchem Verfahren soll das eigentliche Endlager genehmigt werden (Planfeststellungsverfahren oder mehrstufiges Genehmigungsverfahren)?
– Wer soll das Zwischen- bzw. Endlager betreiben?
– Wo liegt die Überwachungszuständigkeit?
Angesichts des großen niedersächsischen Interesses wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie unsere Überlegungen berücksichtigen und mir Ihre Einschätzung mitteilen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Dein David McAllister“