Wirtschaftsminister Bode kritisiert als erstes Mitglied der CDU/FDP-Landesregierung den Bundespräsidenten. Druck auf Wulff nimmt zu.
Hannover/Berlin. Zum ersten Mal hat in der Debatte um Staatsoberhaupt Christian Wulff auch ein Mitglied der niedersächsischen CDU/FDP-Landesregierung den Bundespräsidenten direkt attackiert. Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Jörg Bode sagte der „Bild“-Zeitung strittige Angaben der Regierung im Landtag seien mit dem Bundespräsidialamt abgesprochen gewesen, hätten sich aber als „schlicht falsch“ erwiesen.
„Wulff war für die Antwort mit verantwortlich. Was genau er gewusst hat, wird jetzt zu klären sein“, betonte der FDP-Politiker.
Bislang hatte die christlich-liberale Landesregierung um Ministerpräsident David McAllister (CDU) offene Kritik an Wulff vermieden. Stattdessen hagelte es Vorwürfe gegen Wulffs Ex-Sprecher und Vertrauten Olaf Glaeseker. Das in Niedersachsen umstrittene Prominententreffen „Nord-Süd-Dialog“ hatte in Wulffs Zeit als Ministerpräsident von 2007 bis 2009 stattgefunden. Zunächst hatte die Landesregierung Verstrickungen zurückgewiesen – inzwischen ist aber bekannt, dass einige Ministerien involviert waren.
Bode warf Wulff zudem vor, McAllister als seinen Nachfolger im Amt des Regierungschefs in Erklärungsnöte zu bringen. „Warum in aller Welt tut Christian Wulff McAllister das an? Warum lassen sie ihn weiter in die völlig falsche Richtung laufen, wenn doch irgendwann alles rauskommt?“, zitierte ihn die Zeitung.
Das Echo der Oppositionsfraktionen im niedersächsischen Landtag fiel geteilt aus. Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel nannte Bodes Kritik eine „unerhofft freimütige Äußerung“. Vielleicht könne Bode in Unterrichtungen der zuständigen Ausschüsse oder gar als Zeuge vor einem möglichen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „wertvolle Informationen“ beisteuern. „Offenbar weiß Bode mehr“, sagte Wenzel. „Dieses Wissen darf nicht ungenutzt bleiben.“
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„Es spricht Bände, wenn sich ehemalige Weggefährten wie Minister Bode von Wulff abwenden“, betonte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Landtag, Ursula Weisser-Roelle. Aus ihrer Sicht könne nur ein Untersuchungsausschuss Licht ins Dunkel bringen. SPD und Grüne, deren Stimmen zur Einsetzung benötigt werden, wollen sich aber nicht unter Druck setzen lassen. Laut SPD-Fraktionschef Stefan Schostok hätte nicht Bode, sondern McAllister „Wulffs fehlende Offenheit“ kritisieren müssen. Bode zeige in „schonungsloser Offenheit den Leidensdruck“ in der Koalition.
Unterdessen sagte der SPD-Abgeordnete Heiner Bartling, dass sich die von seiner Fraktion angekündigte Verfassungsklage gegen Wulff am Staatsgerichtshof noch einige Tage verzögern werde. „Ich gehe nicht davon aus, dass es diese Woche passiert“, sagte er am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Der frühere Innenminister will die Landesregierung wegen Verletzung der Auskunftspflicht und Täuschung des Parlaments verklagen. Bartling moniert, dass die Regierung seine Anfrage zum Nord-Süd-Dialog im April 2010 falsch beantwortet und eine Beteiligung an der Organisation des Promi-Treffs verschwiegen habe.
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Mit der Klageerhebung vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg war zu Beginn dieser Woche gerechnet worden. Doch nach einem zweiwöchigen Urlaub will Bartling den Fall noch einmal genau prüfen und auf Nummer sicher gehen. Klar sei aber, dass die Klage eingereicht werde. Die Regierung könne „sich nicht damit rausreden, sie habe nichts gewusst“, sagte Bartling der in Hannover erscheinenden „Neuen Presse“ (Montag). „Es gibt eine Gesamtverantwortung der Landesregierung für ihr Handeln.“ Es sei „völlig ausgeschlossen“, dass Glaeseker, damals Sprecher des Ministerpräsidenten Wulff, ohne dessen Wissen gehandelt haben könnte. Glaeseker – Ende 2011 als Sprecher des Bundespräsidialamtes entlassen – hatte Sponsoren für den Nord-Süd-Dialog geworben und steht unter Korruptionsverdacht.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte in Berlin mit Blick auf neue Vorwürfe gegen Wulff, wonach seine Frau Bettina in der Ministerpräsidenten-Zeit ihres Mannes ein Auto zu Sonderkonditionen erhalten haben soll: „Er ist ein Präsident, der offensichtlich systematisch immer auf seinen Vorteil bedacht war – und dabei auch das Ministergesetz in Niedersachsen offenkundig gebrochen hat.“ Sie sei „der Meinung, dass Herr Wulff mit sich längst hätte ins Reine kommen können, wenn er den Schritt gegangen wäre, den die meisten Deutschen mittlerweile für richtig halten“.
(Mit Material von dpa)