Fraktionschef der Grünen bezeichnet den Bundespräsidenten als „Lügner“. Christian Wulff sieht keine ernsten Vorwürfe gegen sich.
Hannover/Berlin. Die ehemalige CDU/FDP-Regierung von Christian Wulff soll dem Landtag 2010 die Unwahrheit über die Finanzierung einer Lobby-Veranstaltung gesagt haben. Bundespräsident Wulff hat die Vorwürfe gegen seine frühere niedersächsische Landesregierung als einen „ernsten Vorgang“ bezeichnet, sieht bei sich aber keine Versäumnisse.
Er äußerte am Sonntag die Bereitschaft, sich bei Regierung und Staatsanwaltschaft in Hannover zu äußern. Zugleich betonte der Ex-Ministerpräsident: „Es gibt bisher keine Vorwürfe gegen mich.“ Wulff machte erneut deutlich, dass er nicht an Rücktritt denke.
Die niedersächsische SPD kündigte an, die Regierung Wulff wegen Täuschung des Parlamentes vor dem Staatsgerichtshof zu verklagen. SPD-Fraktionschef Stefan Schostok sagte: „Ein Bundespräsident, der in seiner Zeit als Ministerpräsident die Verfassung bricht, kann eigentlich nicht mehr in Amt bleiben.“ Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel bezeichnete Wulff als „Lügner“ und forderte ihn offen zum Rücktritt auf.
Bei den Vorwürfen geht es um die Förderung einer privat organisierten Veranstaltung, bei der Partymanager Manfred Schmidt 2009 satten Gewinn gemacht haben soll. Die Landesregierung hatte diesen sogenannten Nord-Süd-Dialog durch den Einsatz von Studenten und kostenlose Kochbücher für die Gäste unterstützt, dies aber lange bestritten.
Das Magazin „Der Spiegel“ berichtet, anders als von Wulffs Anwälten behauptet habe sein damaliger Regierungssprecher Olaf Glaeseker sogar Sponsorengelder für die privat organisierte Lobbyveranstaltung „Nord-Süd-Dialog“ eingeworben. So habe er im November 2009 einer Mitarbeiterin des Eventmanagers Schmidt per E-Mail mitgeteilt, dass sich der Ölkonzern Exxon mit 15 000 Euro beteiligen werde. Im Dezember 2009 habe ein Schmidt-Mann notiert, Glaeseker habe mit dem Energiekonzern RWE eine Zahlung von 25 000 Euro vereinbart.
+++ Nächster Vertrauer Christian Wulffs in der Kritik +++
Wulffs Staatskanzleichef Lothar Hagebölling, heute Chef des Bundespräsidialamtes, hatte dem Landtag im April 2010 mitgeteilt, es habe „keine Beteiligung oder Finanzierung durch das Land Niedersachsen“ gegeben. Das hatte Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) am Donnerstag noch einmal bekräftigt. Und auch die Anwälte des Bundespräsidenten erklärten laut „Spiegel“ auf Anfrage: „Finanzierung und Einwerbung von Sponsoren sind durch den Gastgeber und Veranstalter erfolgt.“
Die Regierung von Ministerpräsident David McAllister macht für die Falschinformation Wulffs früheren Sprecher Glaeseker verantwortlich, gegen den die Staatsanwaltschaft Hannover wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Man werde sich „ohne Rücksicht auf Personen“ um Aufklärung bemühen, kündigte McAllister an. Sein Regierungssprecher Oliver Wagner sprach vom „System Glaeseker“. Die Opposition im Landtag hält es hingegen für undenkbar, dass der Sprecher ohne Wulffs Wissen handelte.
+++ Neue Vorwürfe gegen die Landesregierung +++
Wulff sagte am Sonntag bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Berlin: „Wir haben im Landtag gesagt, in diese Veranstaltung ist kein Steuergeld geflossen. Und das nach bestem Wissen und Gewissen. Sollte jetzt doch Steuergeld hineingeflossen sein, hätten wir dem Parlament gegenüber nicht die Wahrheit gesagt. Das ist ein ernster Vorgang, der zurecht jetzt vermutlich vom Staatsgerichtshof geklärt werden wird.“ Im Fall seines Ex-Sprechers warnte Wulff: „Auch für Glaeseker gilt die Unschuldsvermutung.“ Dies sei eine „zivilisatorische Errungenschaft“.
Im Gespräch mit „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe sagte Wulff, das Amt des Bundespräsidenten sei unglaublich interessant. Er räumte aber zugleich ein, Vertrauen eingebüßt zu haben. Seine Aufgabe bestehe nun darin, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Der Termin für die „Zeit“-Matinee war schon vor Monaten vereinbart worden – die Kredit- und Medienaffäre des Bundespräsidenten gab es damals noch nicht. Er habe nie daran gedacht abzusagen, meinte Wulff.
Mit Material von dpa