Hamburg. In Mecklenburg-Vorpommern hat die Hansestadt Land als Ersatz für den geplanten Stadtteil Oberbillwerder in Bergedorf erworben.
Oberbillwerder ist in vielerlei Hinsicht besonders: 16 S-Bahn-Minuten vom Hauptbahnhof entfernt entsteht nicht nur Hamburgs zweitgrößtes Stadtentwicklungsprojekt, sondern ein komplett neuer Vorzeige-Stadtteil (der 105. der Hansestadt) unter dem Label „Active City“: Zwischen den 7000 Wohneinheiten, bis zu 5000 Arbeitsplätzen, mehreren Schulen und allein 14 Kitas sollen „Sport, Bewegung und Gesundheit eine zentrale Rolle spielen“, wirbt die Stadt für das Projekt.
Der Haken an der Sache: Dort, wo in Zukunft Oberbillwerder sein soll, sind derzeit noch Wiesen und Felder. Und wenn dieses überwiegend landwirtschaftlich genutzte Gebiet bebaut wird, muss die Stadt an anderer Stelle Ausgleich schaffen – was innerhalb Hamburgs naturgemäß schwerfällt. Daher hat die Finanzbehörde, vertreten durch ihren Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundbesitz (LIG), jetzt 48 Hektar in Mecklenburg-Vorpommern angekauft. Die Flächen, zusammen genommen etwa so groß wie 60 Fußballfelder, liegen nördlich der B 5 und nordöstlich der Stadt Boizenburg an der Elbe.
Landwirte sollen weiter aufs Land ziehen
Als der Senat das im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft mitteilte, wurde nicht nur CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer stutzig: „Wenn die Finanzbehörde jetzt anfängt, 40 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt im großen Umfang Grundbesitz auf Vorrat zu kaufen, ist das erklärungsbedürftig.“
Auf Nachfrage des Abendblatts äußerte sich die Behörde unter Verweis auf „Geschäftsgeheimnisse“ zwar nicht dazu, was sie für die Flächen bezahlt hat und wem konkret sie zur Verfügung gestellt werden sollen. Aber den Hintergrund erläuterte sie: „Der Erwerb eines großen Flächenareals erhöht die Angebotsfähigkeit Hamburgs für verlagerungswillige Landwirte.“ Auf die Frage, ob es nicht unrealistisch sei, Landwirten Flächen anzubieten, die fernab ihres Stammsitzes liegen, hieß es, darüber seien „im Vorwege entsprechende Absprachen getroffen“ worden. Mit anderen Worten: Offensichtlich haben Grundbesitzer in Oberbillwerder signalisiert, dass sie mit diesem Ersatz leben könnten.
Hinzu kommt: Sollten durch eine Verlagerung von landwirtschaftlichen Betrieben in Hamburg Flächen frei werden, könnten diese für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen eingesetzt werden, so die Behörde.
Hamburg sichert sich seit Langem Flächen
„Eine aktive Flächenpolitik ist für eine Stadt, die wächst, unverzichtbar“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Hamburg betreibe vor diesem Hintergrund seit Langem eine aktive Flächenbevorratung. Dabei werde gegebenenfalls „auch außerhalb der Staatsgrenze, jedoch innerhalb eines angrenzenden Suchraumes“ nach Entwicklungs-, Landwirtschafts- oder Ausgleichsflächen Ausschau gehalten. „An diesem Kurs halte ich als neuer Senator konsequent fest, die Bedarfe in diese Richtung wachsen eher noch“, sagte Dressel.
Schließlich sei Hamburg zwischen 2000 und 2016 um rund 150.000 Einwohner gewachsen. Daher verpflichte sich der Senat im „Bündnis für das Wohnen“ zur Schaffung von jährlich 10.000 Wohneinheiten – und in diesen Planungen spielt Oberbillwerder eine wichtige Rolle. Aber so ein Projekt ziehe halt „erhebliche Ausgleichsbedarfe nach sich“, so Dressel.
Der letzten Auswertung aus dem Jahr 2014 zufolge besitzt Hamburg außerhalb seiner Staatsgrenzen 1200 Flurstücke mit einer Fläche von insgesamt 4000 Hektar. Hinzu kommen weitere 365 Grundstücke mit einer Gesamtfläche von gut 800 Hektar, die den öffentlichen Unternehmen der Stadt wie den Wasserwerken in anderen Bundesländern gehören.