Lüneburg. Statt Teilabriss soll es „nur“ eine Umgestaltung geben. Die Kosten liegen unverändert bei 25 Millionen Euro. Gastronomen sind besorgt.

Ein moderner Anbau mit viel Licht, Glas und Platz für Veranstaltungen sollte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg auch räumlich bereit für die Arbeitswelt der Zukunft machen. Der Hauptsitz in der Lüneburger Innenstadt stammt teilweise aus dem 16. Jahrhundert. Drei Erweiterungsbauten aus dem 20. Jahrhundert sollten abgerissen und durch einen Anbau ersetzt werden. Geschätzte Kosten: 25 Millionen Euro. Bauzeit: drei Jahre.

Doch die im Frühjahr verkündeten Pläne werden nun doch nicht in dieser Weise umgesetzt. Ein Teilabriss ist vom Tisch, vielmehr sollen die jüngeren Gebäudeteile umgestaltet und erweitert werden. Auf den Bestand sollen Baukörper aufgesetzt werden, die sich in das historische Backsteinumfeld einfügen. Durch die Neugestaltung des historischen Gebäudes wird die Gesamtfläche um rund ein Drittel wachsen. Es entstehen zusätzliche Veranstaltungs- und Sitzungsräume mit Platz für bis zu 400 Personen.

Umgestaltung statt neuer Anbau – IHK sieht mehrere Vorteile

Die Kammer verfolge eine „neue Architekturstrategie“, sagt Sprecherin Sandra Bengsch. Mit der geänderten Planung reagiere die IHK Lüneburg-Wolfsburg auf Kritik aus der Nachbarschaft, die bei Umsetzung der ursprünglichen Pläne eine starke Beeinträchtigung ihrer Geschäfte während der Bauphase befürchtet hatten. Hinzu kommt, dass der Untergrund offenbar nicht für das zunächst vorgesehene Bauwerk geeignet ist. Im Zuge der Vorplanung seien bautechnische und archäologische Risiken wegen der für einen Neubau notwendigen tiefen Baugrube entdeckt worden, so die Sprecherin.

Auch der nun beschlossene Plan B stammt aus dem Hamburger Büro Andreas Heller Architects & Designers. Die in den vergangenen Monaten entwickelte Alternativplanung dient der IHK zufolge nicht nur der Vermeidung von Risiken. Sie bringe zudem zusätzlichen Nutzen mit sich: Durch den Erhalt von Bausubstanz sollen rund 9000 Tonnen CO2-Immissionen eingespart werden. Auch die Belastung der Nachbarn fällt demnach geringer aus, da weniger zurückgebaut wird und die Bauzeit sich um sieben Monate verringert.

Gestiegene Baukosten sorgen für dieselbe Kostensumme bei IHK-Umbau

An den voraussichtlichen Kosten von 25 Millionen Euro ändert sich dagegen nichts – auch wenn die neuen Pläne weniger umfangreich ausfallen als der ursprüngliche Entwurf. „Mit den eingesparten Kosten der Alternativplanung können die erheblichen Baukostensteigerungen der vergangenen zwölf Monate ausgeglichen werden“, sagt die Sprecherin.

„Die IHK Lüneburg-Wolfsburg hat sich in Zeiten von Energieknappheit und Klimawandel entschieden, verantwortungsvoll mit dem Bestand umzugehen und setzt trotzdem ein Zeichen von Innovation im Bau“, sagt IHKLW-Präsident Andreas Kirschenmann zu dem Richtungswechsel. Es habe in den vergangenen Monaten auch viele Gespräche mit den Nachbarn gegeben. „Wir haben zugehört. Uns mit den Sorgen und Wünschen aus der Nachbarschaft auseinandergesetzt und geschaut, was geht, ohne von unseren eigenen Zielen eines multifunktionalen Dienstleistungs- und Veranstaltungsbaus abzurücken.“

Gastronomen befürchten weitere Einbußen nach Corona und Energiekrise

Bei einigen Gastronomen in der Nachbarschaft bleibt dennoch die Sorge, dass die Bauarbeiten direkt vor ihrer Tür mit Einbußen auf ihr Geschäft verbunden sein werden. Das IHK-Gebäude liegt an der Spitze zwischen der Grapengießerstraße mit vielen Geschäften und der Heiligengeiststraße, an der mehrere Restaurants, Gasthäuser und Cafés liegen.

Mit der abgespeckten Lösung sei er nur „bedingt zufrieden“, sagt Holger Klemz, Inhaber des Brauhaus Mälzer, das am Anfang der Heiligengeiststraße liegt, vis-a-vis der IHK. Zwar habe es sehr offene Gespräche mit den Verantwortlichen gegeben. Dass diese ihre Planung geändert hätten, um den Nachbarn entgegen zu kommen, glaubt Klemz jedoch nicht. Der wesentliche Grund seien vielmehr die unzureichenden Fundamente. Dass die bereits jetzt schmale Straße vor seinem Gasthaus nun für zwei bis drei Jahre in eine Baustelle verwandelt wird, macht ihm Sorgen. „Nach Corona und jetzt der Energiekrise sind das schon wieder keine schönen Aussichten.“

Wirt sorgt sich, dass Außenplätze wegen der Baustelle wegfallen

Auch für die Zukunft sieht er Nachteile durch das dann aufgestockte Gebäude. Dieses werde viel Licht schlucken und dadurch die Heiligengeiststraße, an der er in den warmen Monaten auch Stühle und Tische für seine Gäste aufstellt, optisch weiter verengen. Hinzu komme die Frage, ob im Brandfall ausreichend Platz für die Wagen der Feuerwehr bleibt, sollten die Arkaden auf der anderen Straßenseite im Zuge des Umbaus geschlossen werden. Klemz: „Ich befürchte, dass ich dann die Außenplätze verliere.“

Der Wirt, der das Mälzer seit 25 Jahren betreibt, stellt darüber hinaus den Sinn des ganzen Projekts infrage. Seine Kritik betrifft vor allem die Vergrößerung der Veranstaltungsräume, ein zentrales Ziel des Umbaus. Dies sei unnötig und schade anderen Betrieben. „Es gibt genügend Veranstaltungsräume in den umliegenden Hotels. Die IHK tritt damit in Konkurrenz zu ihren eigenen Mitgliedern.“

Im benachbarten Brauhaus Krone ist man noch vorsichtig optimistisch. „Die neue Planung ist für uns natürlich viel besser. Die Baustelle wird nicht mehr so groß und ragt nicht mehr so weit in die Straße hinein“, sagt Marc Altenburger, Geschäftsführender Gesellschafter und Teil des Unternehmertrios, das das Traditionsgasthaus erst im Mai dieses Jahres übernommen hat. Dennoch rechtet er mit Einbußen durch die Arbeiten. Noch sei zudem unklar, ob die Außenplätze während der Bauphase erhalten bleiben können. „Wenn diese 70 bis 80 Plätze wegfallen, wäre das für uns eine Vollkatastrophe.“