Nicht jeder hat Lust oder die Möglichkeit, im Sommer zu verreisen. Aber der alte Satz “Warum in die Ferne schweifen, siehe, das Gute liegt so nah“ hat auf jeden Fall seine Berechtigung.
Lüneburg. Über den malerischen Klosterhof betritt der Besucher das Kloster Lüne vor den Toren der Stadt Lüneburg. Der Hof, eingerahmt von gotischen Backsteinbauten und dem spätbarocken Gästehaus, strahlt Ruhe aus. Hier ist die Zeit stehen geblieben. Denn das Kloster konnte über die Jahrhunderte bis heute in seiner Gesamtheit erhalten werden. 1172 wurde es als Benediktinerinnen-Kloster gegründet. Seit zwei Bränden Ende des 14. Jahrhunderts hat sich seine Erscheinungsform nicht viel verändert.
Auf einer Bank vor der großen Brunnenhalle sitzt Heinrich Matheis und begrüßt die Gäste. Der 75-Jährige lebt seit 35 Jahren im Kloster, betont aber schmunzelnd, dass er keine Klosterdame ist. Die Damen gibt es aber tatsächlich. Die fünf alleinstehenden, verwitweten oder geschiedenen Frauen führen die Besucher durch das Kloster. Matheis selbst habe jahrelang als "Mädchen für alles" in den Klostermauern gearbeitet - als Gärtner, Hausmeister und Betreuer. Seinen Ruhestand darf er weiterhin hier verbringen. Dafür führt auch er die Besucher herum und pflegt den von ihm angelegten Kräuter- und Rosengarten.
In der Brunnenhalle werden Sie vom immerwährenden Geplätscher des gotischen Brunnens empfangen. Der sogenannte Handstein, das Wahrzeichen des Klosters, ergießt sein Wasser seit mehr als 600 Jahren in die große bronzene Schale, gespeist von einer Quelle unweit der Klostermauern.
Überall ist hier die Vergangenheit greif- und spürbar: in den Kreuzgängen mit den Buntglasfenstern. Im Refektorium, dem Speiseraum, mit seinem acht Meter langen, schmalen Eichentisch, an dem die Nonnen schon vor 600 Jahren speisten. Die gotischen Truhen und Schränke, der älteste von 1174, in denen die Klosterfrauen ihre wenigen Habseligkeiten einschließen konnten. Und schließlich in der "Uhlenflucht" mit seinen bemalten Zellen, in dem die Nonnen auf Strohsäcken auf nur wenigen Quadratmetern schliefen. In den Gang mit den Schlafkammern gelangt nur dämmeriges Licht durch ein Eulenloch im Dach. Die dunkle Eichenholzkonstruktion an der Decke, die aussieht wie ein umgedrehter Schiffsrumpf trägt noch zusätzlich zur Düsternis bei. Der Holzboden ist uneben und ausgetreten von den einst 90 Frauen, die hier lebten. Es riecht muffig nach Staub und altem Holz.
Ganz anders dagegen die lichten Gärten. Auch hier plätschert es ununterbrochen. Ganze sechs Wasserquellen gibt es. Heinrich Matheis zeigt mit Stolz seinen Kräutergarten. "Vor 20 Jahren habe ich den angelegt, hier wachsen mehr als 70 Pflanzen", sagt der gelernte Maschinenschlosser aus dem Ruhrgebiet. Gern werde der Garten von den Klosterdamen genutzt. Die Kräuter finden sich aber auch in den Kochtöpfen des Kloster-Cafés wieder. Das lädt am Ende der Zeitreise durch das Kloster Lüne noch weiter zum Verweilen ein. Entweder in den gotischen Mauern selbst oder im Garten mit Blick auf die romantische Streuobstwiese.