Rundschau-Interview mit dem Lüneburger Bundestagsabgeordneten Eckhard Pols von der CDU. Das Interview ist der Auftakt zu einer Rundschau-Serie.
Lüneburg. Das Drama um die Reaktorkatastrophe in Japan hat die öffentliche Debatte um die Atomkraft auch in Norddeutschland neu entfacht. Nach den öffentlichen Angriffen des Lüneburger Aktionsbündnis gegen Atom (LAgA) auf den Bundestagsabgeordneten Eckhard Pols (CDU) sprach die Lüneburger Rundschau mit ihm über seine Position zur Nutzung der Atomkraft, die Erkundung des Endlagers in Gorleben und die Zukunft des Pannenmeilers Krümmel.
Lüneburger Rundschau:
Nach dem GAU von Fukushima hat die Anti-Atomkraft-Bewegung in der Bevölkerung viel Zulauf erhalten. Sind Sie nach den dramatischen Ereignissen in Japan noch immer Befürworter der Kernenergie?
Eckhard Pols:
Ich bin kein Befürworter der Atomkraft. Ich war schon immer Anhänger der erneuerbaren Energien und betreibe selbst eine Photovoltaikanlage. Wir brauchen die Atomkraft allerdings, um eine Grundlast bei der Stromversorgung zu gewährleisten. Betriebe mit einem hohen Energiebedarf könnten sonst möglicherweise nicht ausreichend mit Strom versorgt werden und müssten die Produktion einstellen.
Halten Sie die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke durch die Bundesregierung, für die auch Sie im Bundestag gestimmt haben, immer noch für angebracht?
Pols:
Das Energiekonzept der Bundesregierung umfasst mehr als nur die Verlängerung der Laufzeit für Atomkraftwerke. Wir haben darüber hinaus ein zukunftsweisendes Konzept für die Energieversorgung in diesem Land vorgelegt - das hat die rot-grüne Bundesregierung nicht zu Stande gebracht.
Außerdem war die Laufzeitverlängerung notwendig, um die Gewinne der Energiekonzerne abzuschöpfen und mit ihnen etwa den Bau von Stromtrassen zu finanzieren. Wenn jetzt die sieben alten Atomkraftwerke und Krümmel vom Netz gehen, bricht die Finanzierung zusammen und ich weiß nicht, woher wir das Geld nehmen sollen.
Im Übrigen müssen wir nach dem Unfall von Fukushima prüfen, ob die Sicherheitsanforderung für unsere Atomkraftwerke noch stimmen. Für mich sind unsere Atomkraftwerke in Deutschland nach dem Unfall in Japan aber genauso sicher wie davor.
+++ Zur Person: Eckhard Pols +++
Was macht sie so ruhig, dass sie den Betreibern vertrauen? Das Versagen der Reaktoren wie in Harrisburg, Forsmark und jetzt in Fukushima war immer auf innere Einflüsse zurückzuführen.
Pols:
Der Gesetzgeber gibt den Betreibern ein Sicherheitssystem vor. Wenn sie danach arbeiten, müssen wir davon ausgehen, dass die Atomkraftwerke richtig funktionieren.
Wozu hat dann die Bundesregierung überhaupt ein dreimonatiges Moratorium erlassen? Und wie können drei Monate ausreichen, um alle deutschen Kraftwerke auf ihre Sicherheit zu überprüfen?
Pols:
Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission, die die Sicherheitsfragen überprüft, berät bereits. Aber auch ich rechne damit, dass das Moratorium verlängert wird. Es kann aus meiner Sicht bis zu einem Jahr dauern, bis die Sicherheitsfragen endgültig geklärt sind. Allerdings habe ich aus rechtlicher Sicht Bauchschmerzen. Es muss geprüft werden, ob die Entscheidung für das Moratorium ohne das Parlament überhaupt möglich ist.
Aber eines ist für mich klar: Krümmel wird nicht wieder ans Netz gehen, auch nicht unter einem anderen Betreiber. Das sieht Ministerpräsident Peter Harry Carstensen in Kiel genauso. Denn Krümmel erfüllt nicht die geltenden Sicherheitsbestimmungen.
Wie die Wahlen in Baden-Württemberg zeigen, nimmt der Wähler Ihnen die Rolle rückwärts in Sachen Atomkraft offenbar nicht ab. Anscheinend halten die Bürger nur die Grünen für vertrauenswürdig in Sachen Atomkraft.
Pols:
Dem Bürger ist das nicht leicht zu vermitteln. Was wir in Sachen Atomkraft getan haben, ist, dass wir den Ausstieg mit der Laufzeitverlängerung nach hinten verschoben haben. Aber wir haben auch gleichzeitig höhere Sicherheitsanforderungen für deutsche Atomkraftwerke durchgesetzt. Die sind jetzt höher als die Vorgaben der alten rot-grünen Bundesregierung, nach deren Ausstiegsplänen die Kraftwerke auch noch 21 Jahre gelaufen wären.
Wobei sich dann allerdings die Frage nach einer Endlagerung des Atommülls in verschärfter Form stellt.
Pols:
Ich bin für eine ergebnisoffene Erkundung von Gorleben. Der Standort ist für mich erst tot, wenn ein negatives Ergebnis der Erkundung vorliegt, die die Bundesregierung jetzt begonnen hat. Wer gegen Gorleben ist, muss auch sagen, wo es alternative Standorte für ein Endlager geben könnte. Bisher hat niemand ernsthaft einen anderen Standort benannt, auch nicht die Atomkraftgegner. Es wäre verlogen, von anderen einen Endlagerstandort zu fordern, aber selber nichts zu tun. Deshalb bin ich für die weitere Erkundung. Außerdem stellt sich doch die Frage, warum nicht schon Rot-Grün den Deckel bei Gorleben drauf gemacht hat? Auch wären wir viel weiter gewesen, wenn es für Gorleben kein Moratorium gegeben hätte.
Nach Ansicht der Atomkraftgegner vertreten Sie nicht die Interessen der Menschen in ihrem Wahlkreis, wenn Sie sich für Gorleben aussprechen. Die Atomkraftgegner sprechen Ihnen ohnehin die Legitimation ab, weil nur 33 Prozent der abgegebenen Stimmen bei der letzten Bundestagswahl auf Sie entfallen sind .
Pols:
Gerade in der Region um Gorleben waren meine Wahlergebnisse aber sehr gut. Auch ein anderer Kandidat hätte nicht automatisch zu einer höheren Wahlbeteiligung geführt und mehr Zustimmung durch das Votum der Bevölkerung erhalten, wäre also auch nicht mehr legitimiert als ich. Ich bin dafür, dass wir den ergebnisoffenen Dialog um Gorleben weiterführen.
Wann wird denn ein finaler Ausstieg aus der Atomenergie ihrer Ansicht nach realistisch möglich sein?
Pols:
Das müssen wir festmachen am Stand der erneuerbaren Energien und nicht an der Endlagersuche. Verstärkt fossile Quellen zur Energiegewinnung nutzen, wollen wir nicht. Das wäre schädlich mit Blick auf den Klimawandel. Aber im Rahmen der Energiewende werden wir einen Leitungsausbau für das Stromnetz brauchen und auch mehr Biogasanlagen und Windräder. Da muss man dem Bürger ehrlich sagen, dass im Zuge dieser Umstellung auch neue Belastungen auf ihn zukommen und die Lebensqualität eingeschränkt wird. Wenn das Baurecht notwendigerweise geändert wird, werden Windkraftanlagen näher an Wohngebiete rücken. Für Null wird es den Ausstieg nicht geben. Ich denke, für den Ausstieg brauchen wir bestimmt noch 15 Jahre, einen solchen Zeithorizont halte ich für realistisch. Aber ein sofortiges Abschalten aller Atomkraftwerke geht nicht. Auch das muss den Bürgern gesagt werden.
Im Herbst stehen in Niedersachsen Kommunalwahlen an. Erwarten Sie, dass das Thema Atomkraft dann noch auf der Tagesordnung steht?
Pols:
Das Thema wird in der Region immer aktuell bleiben. Ob es im Herbst noch konkrete Auswirkungen auf den Kommunalwahlkampf hat, wird sich zeigen. Das hängt auch davon ab, wie sich die Lage in Fukushima entwickelt.
Wir sollten auch regionale Themen in den Fokus stellen, beispielsweise den Ausbau der Autobahn 39, die Sicherung der Schulstandorte, den Ausbau des ÖPNV für Pendler und die Konsolidierung der Haushalte. Auch der Neubau des Fürstentummuseums, welcher Kritikern zum Teil schwer zu vermitteln ist, wird ein Thema sein.
Im Übrigen kann ich mir für die Zukunft sehr gut schwarz-grüne Koalitionen vorstellen. Wir sind in einigen Punkten gar nicht weit voneinander entfernt, und Gespräche führen kann man immer. Das gilt sowohl auf kommunaler als auch auf Bundesebene. Es gibt einige in der Bundestagsfraktion, die auch so denken. Auch wenn dies für viele noch Zukunftsmusik ist.
Das klingt so, als habe nach den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Götterdämmerung für die schwarz-gelbe Koalition und Bundeskanzlerin Angela Merkel begonnen.
Pols:
Nein. Die Koalition steht und die Kanzlerin steht nicht zur Diskussion. Und bis zur nächsten Bundestagswahl sind es ja noch zwei Jahre. Außerdem wäre Stefan Mappus ohne die Ereignisse in Fukushima immer noch Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Politisch hätte sich nichts verändert.