Kampagne der Kammer trägt Früchte und soll Fachkräftemangel entgegenwirken
Lüneburg. Von 16 000 Lehrlingen im Bezirk der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade haben über 500 einen ausländischen Pass. Immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund interessieren sich für eine Ausbildung im Handwerk. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sieht noch viel Potenzial und will die Zahlen verbessern. Bereits seit Monaten läuft eine Kampagne, mit dem die Betriebe zur Ausbildung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund animiert werden sollen.
"Wir wollen unsere Bemühungen verstärken und überlegen derzeit, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um noch mehr Jugendliche für Handwerksberufe zu interessieren. Schon allein um den Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Anstrengungen zu intensivieren", sagt Frank Twele, Geschäftsführer der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade.
Einer von denen, die sich bereits engagieren, ist Christian Funk, Friseurmeister mit eigenem Salon in Lüneburg. Er selbst bildet seit 1999 aus, ist Mitglied im Meisterprüfungsausschuss seiner Innung und Dozent an der Meisterschule. Alle vier Auszubildenden, die er im vergangenen Jahr eingestellt hat, waren Jugendliche mit Migrationshintergrund. Auch die Hälfte seiner bereits ausgebildeten Mitarbeiter besitzt einen ausländischen Pass. Insgesamt beschäftigt er 16 Mitarbeiter in Voll- oder Teilzeit, überwiegend Frauen. "Man muss etwas investieren und Energie reinstecken, aber es lohnt sich. Unser Team arbeitet harmonisch zusammen, bisher habe ich keine wirklich große Enttäuschung erlebt", sagt Funk. "Jeder lernt vom anderen, und wenn etwas nicht läuft, dann klären wir das sofort."
Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass in seinem Salon "Haararchitektur" Lehrlinge mit Migrationshintergrund willkommen sind. 100 Bewerbungen hat der Friseurmeister im vergangenen Jahr erhalten. Viele davon kamen spontan, der Rest auf Vermittlung des Arbeitsamtes - Stellenanzeigen aufgeben muss Christian Funk nicht.
Dass es Sprachbarrieren geben kann, dass soziale und kulturelle Unterschiede die Eingliederung am Arbeitsplatz manchmal erschweren, das alles weiß der Friseurmeister. Doch größere Probleme gibt es für ihn meistens nicht.
"Die Sprache lernt sich schnell im Umgang mit dem Kunden. Und die die Berufsschule ist für Auszubildende mit Migrationshintergrund genauso einfach oder schwierig wie für deutsche Lehrlinge. Manchmal muss man ein bisschen nachhelfen, aber auch in dem Bereich habe ich Erfahrung. Ich halte den Kontakt zu den Schulen", sagt der Friseurmeister. Nur von einem seiner Auszubildenden, einem jungen Syrer, musste er sich im letzten Jahr trennen. "Da gab es einfach zu viele Schwierigkeiten", sagt Funk.
Besonders stolz ist er dagegen auf seine türkischstämmige Gesellin Nalan, deren Familie anfangs Einwände gegen die Ausbildung ihrer Tochter hatte. "Für ihre Eltern war die Ausbildung überflüssig, die wollten ihre Tochter nur verheiraten", erinnert sich Funk. Nalan hat sich Zuhause durchgesetzt. Inzwischen geht sie selbstbewusst ihren Weg. "Ich würde jeder anderen jungen Frau in meiner Situation das gleiche empfehlen", sagt sie.
Ausgesprochen zufrieden mit ihrer Ausbildung sind auch Derya Kurt und Ulijana Haxhoiq, beide im ersten Lehrjahr. Deryas Eltern stammen aus der Türkei, die Familie von Ulijana kommt aus Albanien. Derya hatte ihren Realschulabschluss gemacht und dann über ein Praktikum den Weg zu Christian Funk gefunden. "Ich hatte schon als kleines Mädchen viel Spaß beim Frisieren der Puppen. Außerdem ist auch meine Tante Friseurin", sagt Derya.
Ulijana brauchte etwas länger, um den richtigen Beruf zu finden. Sie begann eine Lehre als Arzthelferin, jobbte in der Gastronomie, bevor sie wusste, dass der Friseurberuf das Richtige für sie ist. Da gab es Zuhause schon mal Ärger. "Eigentlich mischen meine Eltern sich nicht ein. Aber als ich zu oft den Job gewechselt habe, hat mein Vater etwas Druck gemacht", erinnert sich Ulijana. In der Schule haben die beiden Auszubildenden keine Probleme, sagen sie. "Da helfen wir uns gegenseitig."
Was ihnen für die Zukunft vorschwebt, darüber haben sich die beiden jungen Frauen noch nicht viele Gedanken gemacht. "Erst einmal die Ausbildung schaffen und dann fest übernommen werden", sagt Derya. Was danach komme, werde man sehen.