Nach dem Dioxin-Skandal ist die Nachfrage rasant gestiegen. Die Produzenten können die leergefegten Regale der Discounter nicht mehr füllen.
Scharnebeck. Die Verbraucher haben nach dem Dioxin-Skandal rasch reagiert - und verstärkt Bio-Eier gekauft. Der Run war allerdings so groß, dass die entsprechenden Regale in den Discountern praktisch leergefegt sind. Schlimmer noch: Die Produzenten sehen sich offenbar außerstande, für Nachschub zu sorgen. In der Brietlinger Netto-Filiale suchen Verbraucher ebenso vergeblich nach dem kostbaren Hühnerprodukt, wie der in der kleinen Vollkorn-Bäckerei in Scharnebeck.
Die 400 Bio-Eier, die sie wöchentlich vom Bauckhof in Kleins Süstedt erhalten, waren Montag bereits ausverkauft. Und die nächste Lieferung wird erst in ein paar Tagen erwartet. Tatsächlich kommen die 7500 Hennen mit dem Legen nicht nach. Vertriebsleiter Yanic Arndt: "Das ist wirklich verrückt und nicht mehr normal. Die Nachfrage ist um 50 und mehr Prozent gestiegen. Doch wo sollen wir die Eier hernehmen - die Hühner legen ja nicht plötzliche zwei am Tag." Der Bauckhof im Landkreis Uelzen zählt zu den ältesten Biobetrieben Deutschlands, beliefert werden einzig gut geführte Naturkostläden.
Edeka-Supermärkte erhalten über die Edeka-Zentrale Bio- sowie Eier aus konventioneller Haltung. Doch auch im Adendorfer "E-Center Artlenburger Landstraße" kam es zu erheblichen Engpässen. Allerdings habe sich die Lage mittlerweile beruhigt. Marktleiterin Sandra Gerstenkorn spricht aus Erfahrung: "Beim BSE-Skandal war es ähnlich. Rindfleisch wurde erst wenig angefasst. Als dann aber das erste Angebot für Rinderrouladen aushing, haben alle wie verrückt zugegriffen."
Rasenden Absatz finden die Öko-Eier ebenfalls in der Brietlinger Netto-Filiale. Im Regal für die Bio-Eier stapeln sich jetzt Kartons mit Eiern aus Boden- und Freilandhaltung sowie solche mit einem "Plus an Omega-3-DHA".
Jeden Tag nimmt der stellvertretende Marktleiter Stefan Backhaus die Ware entgegen. Jetzt fehlten wieder einmal die vier Pakete Bio-Eier. Jedes enthält 20 Kartons à sechs Eier. "Die sind meist an einem Tag leer gekauft", sagt der 23-Jährige. So trage die Mehrheit der Kunden Eier aus konventionellem Anbau nach Hause. Dies sind zum einen günstiger, zum anderen mag der Deutsche eben nur ungern aufs Ei verzichten.
Während sechs Bio-Eier 1,55 Euro kosten, müssen Kunden für einen 12er-Karton Eier aus Freilandhaltung 1,59 Euro und für einen Karton Eier aus Bodenhaltung 1,29 Euro zahlen.
Das übrige Bio-Angebot im Markt ist eigentlich begrenzt. Vorgehalten wird die Ware trotzdem, denn auch immer mehr Discounter-Kunden fragen nach Bio-Produkten. Sandra Gerstenkorn: "Ein Anteil Bio muss heute da sein. Bio hat sich in den letzten zehn Jahren so etabliert, da ist es Pflicht, diese Produkte im Sortiment zu führen."
Es ist eine Weltanschauung, denn Bio-Kost erhält prinzipiell die gleichen Nährstoffe wie konventionelle Kost. Grundsätzlich gilt: Wo Öko drauf steht, ist auch Öko drin. Weltweit geltende Regelungen legen fest, unter welchen Voraussetzungen eine Ware als Öko-Produkt bezeichnet werden kann.
Der Mercedes unter den ökologischen Anbaubetrieben ist sicherlich ein Demeter-Betrieb wie der Bauckhof. Die Kombination von Stall und Auslauffläche orientiert sich an den natürlichen Bedürfnissen und dem Lebensrhythmus der Legehennen. Demeter-Geflügel bekommt 100 Prozent Bio-Futter, ohne gentechnisch manipulierte Bestandteile, ohne Farbstoffe, synthetische Aminosäuren oder Fischmehl. Die Haltung hat ihren Preis. Ein Karton mit zwölf Eiern wird derzeit in Lüneburg für 4,80 Euro angeboten.
Die deutsche Eierwirtschaft hat sich in den vergangenen zwei Jahren gravierend verändert. Ursache dafür ist das Verbot der Käfighaltung, das im Januar 2010 und damit zwei Jahre früher als in der übrigen Europäischen Union in Kraft trat. In der Folge brach die deutsche Eiererzeugung stark ein. Nach Angaben der Landwirtschaftskammer Niedersachen sank der Selbstversorgungsgrad hierzulande von knapp 70 auf deutlich unter 60 Prozent.
Bereits im Jahre 2009, also vor dem Käfigverbot, war die deutsche Produktion deutlich zurückgegangen. Verunsicherte Erzeuger und Vermarkter waren aus der Produktion und dem Handel von Eiern aus Käfighaltung ausgestiegen. Auch der Lebensmittelhandel hatte diese Eier vorzeitig ausgelistet und war auf Eier aus Bodenhaltung (Kennzeichnung 2) oder Freilandware (Kennzeichnung 1) umgestiegen.