Wentorf. Für Andrew Kawalec ist seine Leidenschaft für Lanolin Berufung. Jetzt startet der 62-Jährige mit Start-up Holly Molly neu durch.
Die Segel der alten Wikinger müssen ziemlich nach Schaf gestunken haben: Denn sie haben sie mit Wollfett eingeschmiert, um sie wetterfest zu machen. Den jahrhundertalten Rohstoff verwendet der gebürtige Brite und Wohltorfer Andrew Kawalec für die Kosmetikprodukte seiner neuen Marke Holly Molly. Denn das Abfallprodukt, das beim Waschen der Wolle durch die Zentrifugalkraft herausgeschleudert wird, hat viele wohltuende Eigenschaften für die menschliche Haut, fristet aber ein Schattendasein auf dem Weltmarkt für Naturkosmetika.
„Der Rohstoff Lanolin ist ein schlafender Riese“, erklärt der Geschäftsmann. Allerdings sind die Cremes und Salben, die der 62-Jährige mit seinem Start-up Holly Molly in Belgien produzieren und in Wentorf Auf dem Ralande abfüllen lässt, vollkommen geruchlos. Öffnet er einen der Glastiegel, schimmert darunter eine wollweiße Salbe, die Bienenhonig ähnelt. „Wir lassen das Lanolin in Belgien veredeln“, erzählt der britische Geschäftsmann, der seit 1978 im Wollhandel aktiv ist und sogar schon selbst Schafe geschoren hat.
Start-up Holly Molly will den Weltmarkt für Naturkosmetik erobern
Stolz ist er darauf, dass das Deck der Rickmer Rickmers im November 2022 mit den Fettsäuren des von ihm gehandelten Lanolins gegen Verwitterung behandelt worden ist. Diese Fettsäuren würden auch verwendet, um Leder zu pflegen oder Metall gegen Rost zu schützen. „Das reine Lanolin kennen auch alle Apotheker“, erzählt Torsten Schmidt-von Kleist, der Andrew Kawalec im Vertrieb seiner neuen Marke unterstützt.
Durch ein ständig wachsendes Netzwerk eröffnen sich auch in der Hautpflege immer neue Geschäftsfelder: Ende April war das Unternehmen als Co-Sponsor zu Gast bei den Endspielen um den Pokal des Deutschen Handballbundes (DHB), den „Final4“ in Köln. Die Spitzensportler arbeiten mit „Backe“, einem Harz, an ihren Händen und dem Ball, um ihn besser greifen zu können.
Leistungssport als neues Geschäftsfeld für die Hautpflege
„Um diese Backe von den Händen zu lösen und sie gleichzeitig zu pflegen, ist das reine Lanolin von Holly Molly ideal“, sagt Schmidt-von Kleist. Gerade gab es Gespräche mit der Geschäftsführung der Handballliga, um engere Geschäftskontakte zu knüpfen. „Aber auch die strapazierten Hände von Kletterern, Turnern oder auch Handwerkern können von Lanolin profitieren“, weiß Andrew Kawalec. Er nutzt das Lanolin selbst – für Haut und Haar.
Zu dem Rohstoff ist er eher zufällig gekommen: Nachdem er für eine Firma in Singapur den Transport einer wollverarbeitenden Maschine aus Italien erfolgreich organisiert hatte, heuerte diese ihn für den Großhandel mit Lanolin an. „Denn alle Kosmetikkonzerne sind mit Lanolin groß geworden“, erzählt er. Doch keiner wolle mit dem Naturprodukt werben. „Nur weil Lanolin nicht vegan ist“, bedauert Andrew Kawalec. Das will er ändern und mit Holly Molly das Lanolin und seine Wirkung durch den Direktverkauf aus Wentorf in den Fokus rücken.
Holly Molly ist kein Medikament, hat aber eine wohltuende Wirkung
Andrew Kawalec sieht es als seine Berufung, den Menschen das Lanolin nahezubringen: „Ich habe in unserem Familienkreis selbst erlebt, wie sehr es helfen kann, als die Haut des Familienmitglieds nach einer Chemotherapie sehr gelitten hatte. Das Einzige, was diese Spannungsgefühle damals linderte, war Lanolin.“ Namenspatin seiner Marke war seine heute 17 Jahre alte Tochter Molly. „Dieses Start-up ist für mich eine sehr persönliche Geschichte“, sagt der Wohltorfer. Das veredelte Wollfett sei kein Medikament, doch die Salben und Cremes von Holly Molly würden nach Pharmastandards produziert.
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Ob bei rissiger Haut an Fersen und Ellenbogen, bei Neurodermitis oder auch bei Ekzemen – „Lanolin ist der stärkste natürliche Feuchtigkeitsspender“, weiß Kawalec. „Es wirkt antibakteriell und fördert die Durchblutung.“ Die Rückmeldungen seien unfassbar positiv. „Ich freue mich, wenn unsere Kunden wiederkommen, weil wir ihnen helfen konnten“, sagt der Unternehmer aus Überzeugung.
Pro Jahr und Schaf sind 35 Gramm Wollfett zu gewinnen
Auf dem Ralande 10 kommt der veredelte Rohstoff in 50-Liter-Fässern an. Dort wird er in einer kleinen Küche von Hand mit dem Portionierer abgefüllt und die Tiegel und Dosen werden per Hand etikettiert. Für die Hautpflege verwendet der Unternehmer das Wollfett von Merinoschafen. „Sie haben nicht nur die beste, feinste Wolle, sondern produzieren auch am meisten Wollfett. Von jedem Merinoschaf gewinnt man pro Jahr fünf bis sechs Kilogramm Wolle. Pro Schaf und pro Jahr kann man mit etwa 35 Gramm Wollfett rechnen.“
Die Schafschur sei für die Tiere vielmehr unerlässlich, ansonsten würde die Wolle endlos weiterwachsen. „Die Schafe müssten eine Riesenlast mit sich herumtragen, würden mit der Wolle in der Vegetation hängenbleiben – das wäre Tierquälerei“, berichtet der Fachmann. Die Wollproduktion sei ein Geben und Nehmen zwischen Mensch und Tier. Sein Unternehmen Holly Molly sei zudem Mitglied im IWTO, dem Internationalen Dachverband für die Wolle verarbeitende Textilindustrie. Zu den Standards zählt auch die artgerechte Haltung der Tiere.
Wer mag, kann Holly Molly direkt in Wentorf kaufen
Gerade ist Mitarbeiterin Claudia Lenz in der kleinen Einbauküche des Unternehmens dabei, das reine Lanolin als Lippenpflege in kleine Dosen aus Aluminium à 15 Milliliter zu füllen. „Wir brauchen 400 Stück für die Messe Park&Garden in Stockseehof“, erzählt sie. „Dort sind wir vom 8. bis 11. Juni mit einem eigenen Stand vertreten.“ Sie hat sogar zu Hause noch eine Extraschicht eingelegt, um mit dem Etikettieren fertig zu werden.
Wer die Produkte testen will, kann sie jedoch auch direkt im Laden in Wentorf kaufen oder sie über die Homepage www.holly-molly.com bestellen. Die Lippenpflege (15 Milliliter) aus dem Naturprodukt kostet beispielsweise 8,50 Euro, die Körpercreme (250 Milliliter) 27,50 Euro. Geöffnet ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr.