Wentorf. Verletzte Wildvögel und verwaiste Jungtiere sind bei Heike Knesebeck in besten Händen. Die Wentorferin päppelt sie wieder auf.

In ihrer Küche in Wentorf ist ordentlich was los: Im Frühjahr und im Frühsommer ist Heike Knesebeck eigentlich rund um die Uhr damit beschäftigt, Eichhörnchen- und Hasenbabys großzuziehen. Die hauptberufliche Rettungssanitäterin ist auch leidenschaftliche Tierschützerin. Als Falknerin und Jägerin pflegt die 35-Jährige auch verletzte Greifvögel wieder gesund, bis sie wieder ausgewildert werden können. Aktuell hat sie neun Eichhörnchen in Obhut, deren Kobel, vergleichbar einem Nest, aus Stoff in netzartigen, flexiblen Käfigen stecken. Der verletzte Waldkauz „Gunnar“ hat die Wohnung gerade verlassen und stärkt in einer Außenvoliere in Kirchwerder seine Muskulatur.

Sobald er wieder jagen und sich selbst versorgen kann, entlässt Heike Knesebeck, von allen nur „Lotte“ genannt, ihn wieder in die freie Natur. Tierärzte, Polizei und Feuerwehr sowie die Behörden der Umgebung kennen ihre Telefonnummer, weil sie wissen, „Lotte“ Knesebeck weiß Rat, wenn es um Wildtiere geht. Dabei steht sie im regen Austausch mit ihrer Freundin Yvonne Dittmann, die auch die Facebook-Seite Notfall Wildtier/Wildvogelhilfe Lüneburg betreibt. „Wir machen das ehrenamtlich, aber ohne Verein“, sagt die Wentorfer Tierschützerin.

Wentorf: Jägerin und Falknerin päppelt Wildtiere auf

Auch einen Jagdschein besitzt die 35-Jährige. „Den habe ich 2013 nur abgelegt, weil ich den Falknerschein machen wollte“, erläutert sie. Den braucht sie wiederum für die Beizjagd, wie die Jagd mit Greifvögeln heißt. „Denn manchmal muss ich einen jungen Greifvogel ,einjagen’, auf Wild bringen“, erklärt „Lotte“ Knesebeck. Das heißt: Sie muss ihm das Jagen, das er sich sonst als Ästling von seinen Eltern abguckt, erst beibringen.

Mit einer Spritze mit Saugaufsatz päppelt Heike Knesebeck die kleinen „Hörnchen“ auf.
Mit einer Spritze mit Saugaufsatz päppelt Heike Knesebeck die kleinen „Hörnchen“ auf. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Wenn sie in ihre Wildtierstation kommen, sind die Greifvögel meist verletzt. Gefüttert werden sie in der Regel mit gefrorenen Küken. Die Pflege kann aufwendig sein. „Gunnar“ hat beispielsweise Extensions bekommen: Knesebeck hat seine abgebrochenen Schwungfedern verlängert.

Verlängerung der verletzten Schwungfedern verkürzt die Heilung

Auf ihren Spaziergängen sammelt sie Federn der Greifvögel. Da die Federkiele hohl sind, können sie auf die abgebrochen aufgeschoben werden und geklebt werden. „Das verkürzt die Heilungsdauer“, erklärt die Falknerin. „In der Auswilderungsvoliere kann der Vogel seine Muskulatur stärken, und wir können schauen, ob die Federn halten, oder ob wir eventuell noch eine Mauser abwarten müssen. Die ist je nach Vogelart unterschiedlich häufig und kann den Heilungsprozess immens verzögern.“

Die Eichhörnchenkinder stürzen meist während eines Sturms mitsamt ihrem Kobel vom Baum. Selbstgenähte Stofftaschen auf Wärmflaschen in den Gaze-Käfigen dienen als Ersatz. Meist sind die kleinen „Hörnchen“ mit Flöhen übersät. „Die pulen wir alle einzeln mit der Pinzette runter“, erzählt Heike „Lotte“ Knesebeck. „Das bleibt leider nicht aus und es lohnt sich doch, um die Kleinen durchzubringen.“

Der kecke „Paul“ ist sehr neugierig und will sich alles auf dem Küchentisch genau ansehen.
Der kecke „Paul“ ist sehr neugierig und will sich alles auf dem Küchentisch genau ansehen. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

In der Aufzuchtsaison steht sie jede Stunde auf

Gefüttert werden sie mit Katzenaufzuchtmilch, später gemischt mit Babybrei aus dem Glas. Das Futter bekommen sie über eine Spritze, über die Knesebeck einen winzigen Sauger stülpt: „Den Kleinsten, den es gibt.“ Für die Fütterung breitet die Tierfreundin eine besonders saugfähige Moltonauflage auf ihrem Küchentisch aus. Denn stubenrein sind Wildtiere in der Regel nicht.

Zuerst jede Stunde, später alle zwei Stunden werden sie gefüttert – auch nachts ist jede Stunde aufstehen angesagt. Wenn die Feldhasensaison beginnt oder unwissende Menschen scheinbar verlassene Hasenbabys aufsammeln, kommen auch noch diese Tierkinder dazu. Vergangenes Jahr hat Heike „Lotte“ Knesebeck fünf Feldhasen mit aufgezogen. Außerdem erreichen sie auch nachts die Anrufe von Polizei, Tierklinik oder Tierheim. Wie hält sie das durch? Die Tierfreundin zuckt mit den Schultern: „Powernapping“, sagt die Wentorferin nur knapp.

Tiere waren schon immer der Mittelpunkt ihres Lebens

Während ihrer Zwölf-Stunden-Dienste als Rettungssanitäterin unterstützt sie die Studentin Hanna Littbarski. Für die Wentorfer Falknerin ist sie ein Volltreffer: „Viele Menschen sind hilflos, was Wildtiere angeht.“

Um die Hasenbabys besser wiegen zu können, setzt Heike Knesebeck sie in eine Tasse. Menschen sollten die Hasenkinder in freier Natur nie berühren, weil sie dann von der Mutter nicht mehr angenommen werden.
Um die Hasenbabys besser wiegen zu können, setzt Heike Knesebeck sie in eine Tasse. Menschen sollten die Hasenkinder in freier Natur nie berühren, weil sie dann von der Mutter nicht mehr angenommen werden. © Heike Knesebeck | Heike Knesebeck

Schon als Kind waren Tiere der Mittelpunkt ihres Lebens: Als Achtjährige macht sie den klassischen Fehler und bringt ein Hasenbaby mit, weil sie glaubt, es sei von der Mutter verlassen worden und brauche Hilfe. Tatsächlich lassen die Muttertiere ihr Kind allein und kommen nur zweimal täglich zurück, um es zu säugen. Wittert die Mutter Menschengeruch an ihrem Baby, nimmt sie es nicht mehr an: Es würde verhungern.

Die kleine Heike Knesebeck bekommt Hilfe von einer erfahrenen Tierschützerin. Sie zeigt ihr, wie man Wildtiere aufzieht. Fortan ist Taschenkontrolle angesagt: Kröten, Frösche und Mäuse dürfen nicht mit ins Kinderzimmer. Die Wentorferin erzählt lachend: „Ein Tierarzt aus Bergedorf hat mal gesagt, er warte nur noch darauf, dass ich mit zwei Pinguinen ankomme.“

Die Freundinnen finanzieren ihre Tierliebe aus eigener Tasche

Die Lehre, die sie schon in ihrer Kindheit verinnerlicht, ist: Die Tiere gehören in die Natur, dürfen nicht vermenschlicht werden. Wenn es nötig ist, tötet sie als Jägerin auch mal ein Tier. Von jedem Schützling schreibt sie sich auf, wo er gefunden worden ist. „Denn dort in der Nähe wildere ich das Tier auch wieder aus“, sagt sie.

Alle drei Monate bestellt sie eingefrorene Wachteln, Eintagsküken oder Mäuse im Wert von etwa 600 Euro. Ihre Tierliebe finanziert sie aus eigener Tasche, manchmal spenden Nachbarn etwas für ihr Engagement. Unterstützung können Heike Knesebeck und Yvonne Dittmann auch für eine neue Auswilderungsvoliere brauchen. Wer spenden möchte, erreicht sie unter ihrer Handynummer (0176/68 70 18 77).