Wentorf. Lennon ist ein aufgeweckter Fünfjähriger: Er hat gerade begonnen, Gitarre zu lernen und ist stolz auf sein Instrument.

Er liebt die Feuerwehr über alles, klingelt selbstbewusst bei den neuen Nachbarn, um sie kennenzulernen. Doch wenn sein Kindergarten-Freund Timon sich mit ihm zum Spielen verabreden will, fragt er Lennons Mutter Sandra Spinngieß. Das ist leichter: Denn Lennon hat nur einen Wortschatz von etwa 40 Wörtern.

Selbst seine Eltern und seine Schwester Leonie (9) haben es schwer, sich mit ihm zu verständigen. „Die Sprachheilschule in Wentorf wäre die Rettung für ihn“, sagt seine Mutter. „Ich hoffe immer noch auf diese Lösung. Etwas anderes geht eigentlich nicht.“ Die Schule in Wentorf soll jedoch zugunsten teilstationärer Angebote nach Schleswig verlagert werden. Und die Sonderklassen in der Grundschule in Schwarzenbek, die für Lennon infrage kämen, bieten nur eine Vormittagsförderung.

„Das, was nachmittags im Landesförderzentrum Sprache an Therapien geboten wird, können wir privat nicht ersetzen“, stellt die 38-Jährige fest. Sie und ihr Mann Marco fahren ihren Sohn bereits zweimal die Woche zur Logopädie, einmal zur Krankengymnastik und einmal zur Psychomotorik. „Denn sprachliche und motorische Störungen hängen eng zusammen“, weiß Spinngieß.

„Lennon leidet unter einer Rolando-Epilepsie“, erzählt sie. Die störe nachts sein Gehirn, vor allem sein Sprachzentrum. „Es ist eine gutartige Epilepsie. Das heißt, sie wird mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit im Erwachsenenalter nachlassen“, erläutert Spinngieß. Allerdings wurde sie erst diagnostiziert, als er vier Jahre alt war. Vera Meißler, seine Heilpädagogin, die ihn einmal in der Woche für vier Stunden in einer Einzelintegration im Regelkindergarten betreut, erklärt: „Das Problem bei Lennon ist, dass seine Störung erst so spät festgestellt wurde. Denn im vierten Lebensjahr schließt sich ein Entwicklungsfenster: Die Mundmotorik wird beim Sprechen nicht mehr bewusst kontrolliert.“ Durch die Epilepsie komme Lennons Gehirn nachts nicht zur Ruhe, um die Gedanken zu sortieren. „Sein Kurzzeitgedächtnis ist in Ordnung, das Langzeitgedächtnis aber nicht.“ Seine Mutter bestätigt: „Es kommt vor, dass er plötzlich ein Wort wie ‚Krankenhaus’ sagt und nach fünf Minuten kann er es nicht mehr. Sein Gedächtnis speichert es einfach nicht ab.“ Hinzu komme eine verbale Dystraxie: Der Junge kann das, was er hört, nicht praktisch in Worte umsetzen.

Was die richtige, individuell zugeschnittene Förderung bewirken kann, konnte Spinngieß 2010 während einer gemeinsamen, sechswöchigen Spezialkur mit ihrem Sohn erleben: „In dieser Zeit hat er seinen Wortschatz von fast 20 auf 40 Wörter verdoppelt“, erzählt sie immer noch begeistert. Zum Vergleich: Ein Dreijähriger hat sonst ein Vokabular von etwa 1000 Wörtern.

Meißler bestätigt: „Eine teilstationäre Förderung wäre für Lennon nicht ausreichend.“ Aber auch vom Internatsplatz in Schleswig rät sie ab: „Die Familie ist Lennons einziger sozialer Anker. Ein Internatsaufenthalt würde ihn sozial total zurückwerfen.“