Schwarzenbek. Rund 400 Menschen werden über die Tafel in Schwarzenbek versorgt. Doch die Not steigt – auf beiden Seiten. Ein Betroffener erzählt.
Aufnahmestopp bei der Schwarzenbeker Tafel: Bis zum 31. Januar werden keine neuen Kunden mehr aufgenommen. Der Grund: Es fehlen Lebensmittelspenden. Martin Lenz, Teamleiter bei der Schwarzenbeker Tafel: „Wir haben etwa 70 Prozent weniger Lebensmittel als vor zwei bis drei Jahren.“
Der Verkaufsbereich ist reichhaltig gedeckt – zumindest auf den ersten Blick: Doch statt mehrere Kisten mit Obst und Gemüse oder Brot sind es nur zwei bis drei, aus denen an diesem Tag die Abholer auswählen können. Das bedeutet: Je nachdem wie viele Menschen im Haushalt des Kunden leben, kann er zwei bis drei Äpfel mitnehmen, drei Birnen, drei Bananen, jeweils einen Kohlkopf, Salat, Radieschen und Gurke, zwei Paprika, eine Zucchini oder Aubergine, Weintrauben, ein Brot, drei Brötchen, ein Stück Kuchen, drei bis vier Joghurt und jeweils eine Packung Käse oder Wurst. Hinzu kommen ein Fertigprodukt, ein Schälchen Salat, 10 Eier, Margarine, ein Liter Milch, ein Hygieneartikel und diesmal sogar ein Blumenstrauß sowie Aktenordner, die eine Schwarzenbeker Firma gestiftet hat.
Schwarzenbeker Tafel: Lebensmittelspenden sind nur „ein Zubrot“
„Das reicht zwei bis drei Tage und auch nur als Zubrot“, sagt Christian Stahmer. Der stellvertretende Teamleiter der etwa 25 ehrenamtlichen Helfer ist selber ein Tafel-Kunde: „Ich habe hier als Ein-Euro-Jobber angefangen – und bin dabei geblieben.“ Neben der Ehefrau hat Stahmer zwei Kinder zu versorgen. Brot und Brötchen seien am nächsten Tag verbraucht, genauso Käse und Wurst: „Das geht gleich beim Abendbrot weg.“ Das gleiche gilt für die Trauben, die seine Kinder lieben. Das Gemüse reicht etwas länger, wird in den wöchentlichen Speiseplan eingebaut. „Toll ist es, wenn es bei der Tafel mal Hackfleisch gibt, dann sparen wir so sechs bis sieben Euro“, sagt Stahmer und betont: „Es ist ein Zubrot, man muss für jede Mahlzeit etwas dazukaufen.“ Etwa 70 bis 80 Euro kostet der Wocheneinkauf für die vierköpfige Familie: Ein knappes Drittel davon könne er durch die Tafel-Lebensmittel einsparen, schätzt Stahmer.
Fast 70 Prozent der ehrenamtlicher Helfer sind selber Tafel-Kunden, sagt Teamleiter Marin Lenz, der sich über mehr Helfer freuen würde. „Von den 25 sind ja nicht alle jeden Tag im Einsatz“, so Lenz. An den beiden Ausgabetagen am Dienstag und Freitag kommen zumeist zehn Helfer zum DRK-Güterbahnhof (Am Bahnhof 1-3), in denen die Räume der Tafel untergebracht sind. An den übrigen Tagen sind es fünf bis sechs – von denen jeweils zwei mit dem Kühltransporter der Tafel auf Tour sind, um bei Supermärkten und Discounter Lebensmittel abzuholen. „Letzthin waren wir an einem Abholtag sogar nur zu viert, das war ziemlich anstrengend“, so Stahmer. Aus hygienischen Gründen gibt es bei der Tafel keine Selbstbedienung: Die Kunden sagen den Helfern, was sie möchten und erhalten dann die Lebensmittel.
Kein Schlangestehen durch neues Ausweissystem
Lange Schlangen gibt es vor dem Tafel-Gebäude nicht mehr: Schon vor Jahren war ein Nummernsystem eingeführt worden, um den Zugang zu regulieren. Seit einen Monat hat die Tafel hat ein neues Ausweissystem. Um Betrug zu vermeiden, ist auf jedem Ausweis das Foto des Abholers zu sehen. Zudem sind Abholtag und Uhrzeit aufgedruckt sowie die Anzahl der zu versorgenden Personen. Stahmer: „Ich kann zum Beispiel nur am Freitagmorgen Lebensmittel abholen.“ Über einen Barcode-Leser an der Eingangstür wissen die Tafel-Helfer sofort, wer vor ihnen steht und wie viele Personen zu versorgen sind. 193 der neuen Ausweise wurden ausgegeben, davon 30 an Senioren, die freitags ab 10 Uhr eine eigene Abholzeit haben. Hinter den 193 Ausweisinhabern stehen aber mehr als 400 zu versorgenden Menschen.
- Aldi, Lidl, Rewe & Co.: Mit simplen Tricks beim Einkaufen sparen
- Inflation: Preis-Wirrwarr an Supermarkt-Kassen – falsche Zahlen!
- Wirtschaftspreis: Schwarzenbeker Firma Reifenservice Leifheit spendet Preisgeld
Und das wird immer schwieriger: Lebensmittelproduzenten, die ganze Chargen zu viel produzierter Ware spenden, gibt es nicht mehr. Lenz: „Wir haben eine für ganz Norddeutschland geltende App, die sich meldet, wenn Produzenten große Mengen abgeben wollen. Aber die meldet sich höchstens noch ein Mal im Monat.“ Doch auch in den Märkten selbst wird gespart: Lebensmittel, die kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum liegen, werden direkt im Supermarkt preisreduziert abgegeben. Edeka und Lidl haben zudem sogenannte Lebensmittelretter-Tüten eingeführt: In einer Papiertüte sind verschiedene Lebensmittel aus dem Obst- und Gemüsebereich sowie Brot enthalten, die demnächst aussortiert würden. Lenz: „Das sind die Produkte, die sonst wir erhalten haben.“
Lebensmittel werden durch Helfer ständig kontrolliert
Trotzdem fahren die Tafel-Helfer täglich Supermärkte und Discounter sowie Bäckereien und -filialen in Schwarzenbek und der Umgebung an: 18 Kunststoffkisten, gefüllt vor allem mit Obst und Gemüse, waren die Ausbeute der ersten Tour. Während im vorderen Bereich die Lebensmittel ausgegeben werden, wird hinten die neue Ware schon wieder sortiert. Matschige oder gar faulige Produkte werden aussortiert, selbst Tüten mit Salat vor dem Einlagern einem Geruchstest unterzogen. Obst und Gemüse werden dann in Kühlzellen gelagert, um es so lange wie möglich frisch zu halten und täglich kontrolliert.
Das gilt auch für Fleisch, Wurstwaren und Milchprodukte: „Wenn sich der Deckel wölbt, die Verpackung bereits Luft gezogen hat oder die Mettwurst grau ist, wird sie direkt aussortiert“, so Stahmer. Obst und Gemüse, das nur vereinzelte Stellen aufweist, wird als Tierfutter verwendet.
Schwarzenbeker Tafel: Aktion „Eins Mehr“ am 3. Dezember am Hans-Koch-Ring
Weil es an Lebensmitteln mangelt, hat die Tafel die Aktion „Eins Mehr“ wieder eingeführt: Am Sonnabend, 3. Dezember, stehen ehrenamtliche Helfer der Schwarzenbeker Tafel vor den Supermärkten im Lupuspark (Hans-Koch-Ring) und bitten von 9 bis 14.30 Uhr die Kunden, bei ihrem Wochenendeinkauf ein Produkt mehr zu kaufen und der Tafel zu spenden. „Es geht uns vor allem um haltbare Lebensmittel wie Konserven, Nudeln, Reis, Zucker, Marmeladen oder Nuss-Nougat-Cremes, aber auch Käse, Wurst oder Schokolade“, so Lenz. Auch wer seine Vorratskammer aufräumt oder am Sonnabend keine Zeit hat, kann wochentags von 8 bis 14 Uhr Lebensmittelspenden vorbeibringen. Wichtig: Die Verpackungen müssen noch einwandfrei und ungeöffnet sein und dürfen keinen Alkohol enthalten.