Schwarzenbek. Die Begeisterung für Kommunalpolitik fehlt: Auch bei der jüngsten Zusammenkunft für die Bürger blieben die Politiker unter sich.
Sie kommen nur selten in politische Sitzungen und sie kamen auch nicht in die Einwohnerversammlung unter dem Motto „Schwarzenbek macht mit! – Kommunalpolitik nahegebracht“: Nur knapp 20 Besucher verirrten sich in die Aula des Gymnasiums, die meisten von ihnen sind bereits kommunalpolitisch aktiv. Es gab dann zwar nach dem Eröffnungsreferat von Alexandra Ehlers vom Landesfrauenrat eine lebhafte Diskussion – aber eben nur unter den Politikern und nicht unter den drei anderen Gästen.
Interesse für Kommunalpolitik offensichtlich nicht vorhanden
Trotzdem ist das Fazit von Bürgervorsteher Rüdiger Jekubik (SPD) positiv. „Wir haben die Gelegenheit genutzt, die Situation zu reflektieren und herauszufinden, wo wir besser werden können. Wir müssen Bürger ,wenn sie denn kommen, aktiver mitnehmen, indem wir Entscheidungen besser erklären“, so der Sozialdemokrat.
Eher enttäuscht zeigte sich die Gleichstellungsbeauftragte Petra Michalski, die mit zu der Einwohnerversammlung eingeladen hatte und sich mehr Frauen in der Kommunalpolitik wünscht. Dafür kämpft sie bereits seit Jahren mit verschiedenen Initiativen und Formaten wie dem kommunalpolitischen Frauen-Netzwerk.
Persönliche Gespräche sollen Interesse wecken
„Eine Frauenquote bringt nicht viel. Gehen Sie auf die Menschen zu und begeistern Sie sie für Kommunalpolitik“, sagte Ehlers. Während der Anspruch von Petra Michalski darin besteht, mehr Frauen in die Kommunalpolitik zu bekommen, wünscht sich Jekubik generell mehr Menschen, die sich kommunalpolitisch einbringen.
„Wir haben im Mai 2023 Kommunalwahl. Die meisten Parteien werden die 14 Wahlkreise mit Kandidaten besetzen können. Aber es müssten in einer Stadt mit 17.500 Einwohnern deutlich mehr Menschen sein, die sich politisch engagieren und interessieren“, so der Sozialdemokrat. Er setzt auf persönliche Gespräche im Wahlkampf, um dies zu erreichen.
Wenige neue Politiker in Schwarzenbek
Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, neue Politiker zu gewinnen. So sind beispielsweise Katja Estel (FWS) und der neue SPD-Vorsitzende Candy Rudolph über die Probleme mit Kita-Plätzen und Raumnot in den Schulen in die Politik gekommen. Aber auch die CDU hat mit ihrem neuen Vorsitzenden Thimo Krebs Nachwuchs bekommen. Das gleiche gelang den Grünen mit der neuen Doppelspitze um Benedikt Nyqvist und Kolja Ronneberger.
Allerdings fehlen mittlerweile „Urgesteine“, die sich über Jahrzehnte in der Politik engagieren. „Wir bekommen gerade bei jungen Menschen Zulauf, aber das Engagement endet aus den unterschiedlichsten Gründen oft nach einer Legislaturperiode oder sogar mittendrin wieder. Das ist eine Situation, die es überall im Ehrenamt gibt, mit der wir uns abfinden und arrangieren müssen“, bilanziert Rüdiger Jekubik, der selbst erst im Alter von über 50 Jahren eine politische Heimat in der SPD gefunden hat.
Junge Menschen verlassen aus Zeitgründen die Politik wieder
Ein Grundproblem besteht darin, das gerade junge Menschen nur wenig Zeit haben. Sie begeistern sich zwar kurzfristig für ein kommunalpolitisches Engagement, dann kommen aber große Herausforderungen im Job oder möglicherweise auch Ortswechsel hinzu, die schnell wieder für einen Abschied aus der Politik sorgen. Beispiele dafür sind „Hoffnungsträger“ Calvin Fromm bei der SPD, der sich in Stadtpolitik und Kreistag engagierte, aber jetzt eine juristische Karriere startet und im Mai 2023 nicht wieder antritt. Auch Philip Rohwerder (CDU) hat sich schnell wieder aus der Politik zurückgezogen, um sich seiner IT-Firma zu widmen.
Kommentar „Begeisterung wecken“ von Stefan Huhndorf
Das öffentliche Interesse an Politik in Schwarzenbek liegt gelinde gesagt fast bei null. Zuhörer in den Ausschüssen sind die Ausnahme. Es sei denn „die Hütte brennt“, als in sozialen Medien beispielsweise Stimmung gegen die massive Erhöhung von Kitabeträgen gemacht wurde, Klassenräume an Schulen fehlten oder die Sportmöglichkeiten an der Buschkoppel durch einen Kita-Bau eingeschränkt wurden.
Die Gründe für das Desinteresse an der Tagespolitik sind sicherlich vielschichtig – und liegen keinesfalls allein an den Bürgern. Es gelingt den Politikern offensichtlich trotz vieler wichtiger Themen nicht, die Bürger zu begeistern. Ein Grund mag sein, dass die Schwarzenbeker nicht mitgenommen werden. Themen werden in der Stadtvertretung vor der Beschlussfassung oft nicht erläutert – die agierenden Personen wissen ja, worum es geht und in den Unterlagen steht es auch. Außerdem werden wichtige Entscheidungen immer wieder mit Blick auf „Beratungsbedarf“ vertagt.
Das frustriert Besucher, die gespannt auf eine Entscheidung warten und dann nicht wiederkommen. Viele Themen werden auch hinter verschlossenen Türen in Arbeitskreisen diskutiert. Transparenz geht anders. Allerdings ist es auch schwierig, in einer Wohnstadt mit Einkaufsmöglichkeiten und guten Bahnanbindungen an den Arbeitsort in Hamburg, Bürger für Themen, die die Zukunft ihrer Stadt bewegen, zu motivieren.
Da heißt es für die Politiker, einen langen Atem zu bewahren. Die Kommunalwahl im Mai 2023 bietet eine perfekte Chance dafür, in persönlichen Gesprächen wieder mehr Menschen für kommunalpolitisches Engagement zu begeistern. Schließlich geht es bei allen Entscheidungen um die Zukunft der Stadt.