Schwarzenbek. Die Europaschule in der Buschkoppel in Schwarzenbek arbeitet mit neuen Konzepten. Wie diese aussehen.
Was passiert nach dem Abitur? Studium (der Klassiker), ein Auslandsaufenthalt (gerne genommen als Auszeit), Freiwilliges Soziales Jahr für die Orientierung oder eine Berufsausbildung mit weiteren Aufstiegschancen? Gymnasiasten haben es nicht einfach, wenn sie sich auf den nächsten Schritt nach dem Ende ihrer schulischen Laufbahn vorbereiten müssen.
Was bislang vorgezeichnet schien – wer einen mittleren Abschluss macht, geht in die Lehre; wer das Abitur in der Tasche hat, wechselt an die Hochschule oder Universität – ist längst nicht mehr in Stein gemeißelt. Mittlerweile hat fast jeder zweite Absolvent in Deutschland (46,8 Prozent in 2020) die Allgemeine Hochschulreife oder Fachhochschulreife erlangt, die zu einem Studium berechtigt. Damit hat sich die Zahl der potenziellen Studenten in den vergangenen gut vier Jahrzehnten mehr als verdoppelt: 1975 waren es noch 20,4 Prozent der Schüler, die eine Hochschulqualifikation erreichten.
Schwarzenbek: Werben für die Klassische Berufsausbildung im dualen System
Bis vor relativ kurzer Zeit hat auch die Wirtschaft – unter anderem die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Lübeck bei ihren alljährlichen, gut besuchten Neujahrsempfängen in der Musik- und Kongresshalle am Trave-Ufer mit mehr als 1000 Gästen aus Politik und Wirtschaft – beklagt, dass es im europaweiten Vergleich zu wenig Hochschulabsolventen in der Republik gibt. Dann kam die totale Kehrtwende – bedingt durch den Fachkräftemangel in Produktion, Handwerk und Entwicklung.
Nun werben Wirtschaftsvertreter jeglicher Couleur für die klassische Berufsausbildung im dualen System. Dabei werden praktische Anteile im Betrieb durch Berufsschulblöcke ergänzt. Zuletzt hat dafür die Kreishandwerkerschaft mit einer Leistungsschau mit mehr als einem Dutzend Betrieben auf ihrem „Tag des Handwerks“ vor zwei Wochen auf dem alten Markt in Schwarzenbek geworben.
Gymnasium ist jetzt zertifiziert für „Berufliche Orientierung“
Dieser Trend geht auch nicht an den Bildungseinrichtungen im Kreis Herzogtum Lauenburg vorbei. Als erstes Gymnasium hat die Schwarzenbeker Europaschule an der Buschkoppel das Zertifikat für „Berufliche Orientierung“ erhalten. „Wir wollen unseren Absolventen zeigen, dass es auch einen anderen Weg als den Universitätsabschluss gibt“, sagt Petra Piper, Pressesprecherin des Schwarzenbeker Gymnasiums. „Wir wollen die Schüler nicht nur auf das Studium vorbereiten. Es gibt im dualen System so viele spannende Berufe, die auch gute Perspektiven bieten“, so die Lateinlehrerin weiter.
„Das Zertifikat haben wir uns mit vielen Einzelaktionen wie beispielsweise regelmäßigen Sprechstunden durch die Agentur für Arbeit, die ein Büro bei uns nutzt, erarbeitet“, fügt Birgit Roschlaub, Leiterin des Gymnasiums, hinzu.
Eltern-Berufe-Karussell: Mütter und Väter stellen den Schülern ihre Berufe vor
Berufspraktika sind schon lange obligatorisch in allen weiterführenden Schulen. Im Gymnasium sollen die Schüler in den Klassenstufen neun und elf jeweils mindestens eine, im Idealfall zwei Wochen praktische Erfahrungen in Berufen, die für sie in Frage kommen, sammeln. Seit 2021 gibt es zusätzlich Stellenbörsen, bei denen Unternehmen ihre Ausbildungsberufe vorstellen können.
Außerdem ist ein Eltern-Berufe-Karussell, bei denen Mütter und Väter den Schülern ihre Berufe vorstellen, vorgesehen. Auch ein Elternabend zu dem Thema ist in Planung.
Europäischer Gedanke gehört mit zum pädagogischen Konzept
Ein weiterer Baustein im pädagogischen Konzept der Bildungseinrichtung mit aktuell 795 Schülern ist die Europaarbeit. Seit mehreren Jahrzehnten ist das Gymnasium, das 1967 an der Berliner Straße startete und 2008 in den Neubau an der Buschkoppel umzog, Europaschule. Dieser Titel wurde gerade von der Europäischen Union bestätigt. Es gibt mehrere Schulprojekte zu dem Thema, einen regelmäßigen Austausch mit Sierre (Schweiz), Kartuzy (Polen) und Klassenfahrten nach England. Außerdem bietet die Schule bilingualen Unterricht an. Erdkunde und Englisch werden dabei kombiniert.
Angesichts steigender Schülerzahlen – wegen der Rückkehr von G8 zu G9 geht Birgit Roschlaub davon aus, dass schon bald wieder rund 1000 Mädchen und Jungen das Gymnasium besuchen – wird es auch eine Neustrukturierung geben. „Das Gymnasium ist für 1050 Kinder geplant. Diesen Wert werden wir auch wieder erreichen. Deshalb soll im Sommer 2023 ein sogenanntes Kabinett-System eingeführt werden, um die Räume optimal zu nutzen“, erläutert Kathrin Kipke, die im Rathaus für die Schulen zuständig ist.
Das bedeutet: Die Schüler haben künftig keine eigenen Klassenzimmer mehr. Stattdessen haben die Lehrer Räume, die optimal für ihren Unterricht ausgerüstet sind. Dafür werden im Schulgebäude Spinde aufgestellt, in den die Schüler ihre Sachen deponieren können. Solche Systeme sind in amerikanischen Highschools seit Jahrzehnten weit verbreitet.