Schwarzenbek. Catcalling ist eine miese sexuelle Anmache. Warum die Gleichstellungsbeauftragte bei einer Aktion auch derbe Sprüche nutzt.

„Geiler Arsch“, „Hast du heute schon gef….“ oder ähnlich derbe Sprüche werden am morgigen Mittwoch auf dem Pflaster vor dem Eingang vom Edeka-Markt Kratzmann im Schwarzenbeker Lupuspark in grellen Farben mit Straßenkreide aufgemalt zu sehen sein. Keine pubertierenden Jugendlichen sind die Urheber die anzüglichen und frauenfeindlichen Schriftzüge, sondern Schwarzenbeks Gleichstellungsbeauftragte Petra Michalski und deren Praktikantin Lea Backhaus. Die 21-Jährige studiert Soziale Arbeit in Kiel und möchte gerne einmal selbst Gleichstellungsbeauftragte werden.

Catcalling ist frauenfeindlich und kein Kompliment

Der Anlass für die Aktion, die die beiden Frauen von 15 bis 17 Uhr planen, ist ein ernster: Es geht um die zunehmende Belästigung von Frauen durch Sprüche und Bedrängung – sogenanntes Catcalling. Auf diese Problematik ist Petra Michalski bereits vor einiger Zeit durch eine Nachricht einer Neubürgerin aufmerksam geworden, die aus Hamburg nach Schwarzenbek gezogen ist. Es klingt wie eine Jagdszene aus einem schlechten Film, was die junge Hamburgerin der Gleichstellungsbeauftragten beschrieb.

„Die Frau hat sich in der Corona-Pandemie das Joggen angewöhnt, weil Sport in der Gemeinschaft nicht möglich war. Dabei ist sie mehrfach zu unterschiedlichen Tageszeiten und an unterschiedlichen Stellen in der Stadt auf übelste Weise belästigt worden. Einmal folgten ihr zwei Männer sogar mit dem Auto, rollten damit zur Hälfte auf dem Gehweg und bedrängten sie verbal. Die Frau fragte mich, was mit den Männern in Schwarzenbek nicht stimme“, erzählt die Gleichstellungsbeauftragte.

Bedrängte Frau wendet sich nicht an die Polizei

Die Joggerin verständigte allerdings nicht die Polizei, sondern wandte sich in ihrer Not an Petra Michalski. „Diese Art der massiven Belästigung von Frauen ist ein neues Phänomen, das sich seit einiger Zeit in ganz Deutschland verbreitet“, sagt Petra Michalski. Die Bezeichnung dafür ist Catcalling.

Und genau darauf wollen Michalski und Backhaus am Mittwoch hinweisen und sowohl Männer als auch Frauen für das Thema sensibilisieren. „Das ist natürlich eine besonders drastische Form der Belästigung. Das Thema kann aber schon viel niederschwelliger anfangen, sobald ein Mann das Aussehen oder die Kleidung einer Frau kommentiert. Diese Bewertung steht ihm einfach nicht zu“, sagt Michalski. Deshalb soll die Aktion sowohl bei Männern als auch bei Frauen eine Bewusstseinsänderung erzeugen.

Me-too-Debatte erhöht Sensibilität für Belästigungen

„Gerade nach der Me-too-Debatte sind mehr Frauen sich dieses Themas bewusst und holen es aus der Tabu-Zone“, erläutert Lea Backhaus. Gemeinsam mit Petra Michalski wird sie am Mittwoch für das Thema sensibilisieren. „Wir erzeugen mit den Sprüchen auf dem Asphalt Aufmerksamkeit. Dann werden wir Flipcharts aufstellen, in denen Frauen zu verschiedenen Fragen mit Klebepunkten signalisieren können, ob sie solche Sprüche als Kompliment, Anmache oder Bedrohung empfinden.

Damit erreichen wir auch Männer, die dort einfach zum Einkaufen gehen und zwangsläufig unseren Parcours passieren“, ist Petra Michalski überzeugt. Neben der Sensibilisierung gibt es auch Tipps. Unter anderem sollten Frauen solche verbalen Attacken anzeigen. Außerdem hat Petra Michalski die E-Mail-Adresse keinkompliment@schwarzenbek.de eingerichtet, unter der betroffene Frauen Kontakt mit ihr aufnehmen können.

Gewalt gegen Frauen und Belästigungen nehmen zu

Aber auch die körperliche Gewalt gegen Frauen nimmt zu. Dazu gehöre, dass Männer in Gruppen in Diskotheken und auch im ländlichen Raum bei Dorffesten unterwegs sind, um Frauen mit K.-o.-Tropfen gefügig zu machen.

„Es ist unvorstellbar, dass junge Frauen in der heutigen Zeit nur in Gruppen zum Tanzen gehen können und ihre Gläser abdecken müssen, damit ihnen niemand die leicht flüchtige Chemikalie in das Glas schütten kann, um sie willenlos zu machen. Oft passiert nur nichts Schlimmeres als ein Vollrausch, weil Freunde oder Freundinnen anwesend sind, um die junge Frau vor Übergriffen zu schützen“, warnt Michalski.

Catcalling: Workshops in Schulen geplant

Woran diese Zunahme von Belästigungen und sexueller Gewalt liegt, vermag Michalski nicht zu sagen und sie kann auch keine Zahlen nennen. Fakt sei aber, dass es bundesweit bei Hilfseinrichtungen für Frauen seit geraumer Zeit vermehrt solche Übergriffe gemeldet werden.

Neben der Aktion im Lupuspark, bei der alle Formen von Belästigung und Gewalt Themen sind, plant sie auch Workshops in Schulen, um Jugendliche für den richtigen Umgang in Beziehungen und mit dem anderen Geschlecht zu sensibilisieren. „Wir hatten bereits ein Modul mit Zehntklässlern. Jetzt schulen wir die Schulsozialarbeiterinnen. Im Idealfall läuft jeder Zehntklässler so ein Coaching durch“, so Michalski.