Schwarzenbek. Wenn Großeltern nicht einspringen können, kommen die wellcome-Engel. Wie das Angebot funktioniert, wer es nutzen kann.

Ohne Großeltern oder andere Angehörige, die einspringen können, wenn Hilfe gebraucht wird, haben es junge Familien schwer – ganz besonders in Pandemiezeiten mit Homeschooling und Homeoffice. Hilfe gibt es seit 2005 bei der Evangelischen Familienbildungsstätte (FBS) im Familienzentrum im Verbrüderungsring 41 in Schwarzenbek sowie in Ratzeburg: Im Rahmen des Projekts wellcome unterstützen ehrenamtliche Helferinnen die Eltern im ersten Lebensjahr des Kindes, anschließend springen die Familienpaten ein, die bis zum dritten Lebensjahr in die Familien kommen.

Zwei bis drei Stunden pro Woche kümmern sich die Ehrenamtlichen um jeweils eine Familie. Sie gehen mit den Kindern spazieren oder auf den Spielplatz und schaffen den Eltern so Freiräume, die diese nutzen können, um zum Arzt zu gehen, wichtige Termine zu erledigen oder einfach Zeit für sich zu haben. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie hatte aber auch wellcome pausiert: Viele der Helferinnen sind bereits im Rentenalter und gehören damit zu den besonders durch das Virus gefährdeten Gruppen.

In der Pandemie half nur die Internet-Plattform

Gerade der Südkreis war stark von Corona-Fällen mit hohen Inzidenzwerten betroffen, sodass hier eine Präsenzbetreuung in den Familien erst ab Mai und nur eingeschränkt möglich war. Bis dahin suchte Koordinatorin Conny Schermann aktiv den Kontakt zu den Familien. Sie konnte telefonisch viele Fragen klären und für Sicherheit im Umgang mit dem Baby sorgen. Zusätzlich empfahl die Koordinatorin die Elternplattform www.Elternleben.de von wellcome, auf der sich Eltern kostenfrei orientieren konnten und Expertenwissen für das erste Lebensjahr erhielten.

Als die wellcome-Helferin nach der Zwangspause erstmals wieder bei einer Familie klingelte, war das Baby mittlerweile acht Monate alt. Da es in der Familien auch noch ein Schul- sowie ein Kindergartenkind gab, war die Mutter froh, dass ihr zumindest zeitweise bei der Betreuung des Kleinkindes geholfen wurde. In der Regel kommen die Helferinnen einmal pro Woche für zwei bis drei Stunden. Diese Familie war von der Unterstützung so begeistert, dass sie nach dem Auslaufen von wellcome an Ende des ersten Lebensjahres zu den Familienpaten wechselte.

Coronakonforme Spaziergänge mit Kinderwagen im Sommer

Im Juni 2021 gab es sogar drei neue Anfragen von Familien aus Geesthacht, Reinbek und Schwarzenbek. Auch hier waren die Familien froh über die schnelle, unkomplizierte Hilfe. Im Sommer konnten die Einsätze der wellcome-Engel zudem coronakonform draußen stattfinden: Die Helferinnen nutzten ihre Zeit für Spaziergänge mit dem Kinderwagen. Im Herbst 2021 war schließlich der überwiegende Teil der Familien durchgeimpft. Einsätze konnten in den Familien unter Einhaltung des Schutz- und Hygienekonzept durchgeführt werden.

Im Spätsommer zeichnete sich eine große Nachfrage durch junge Familien mit Baby und Geschwisterkindern ab: Zwei Familien mit jeweils vier Kindern, eine alleinerziehende Mutter, eine Zwillingsfamilie und eine Familie mit ihrem ersten Baby wurden betreut. Der Höhepunkt war aber die Betreuung einer Drillingsfamilie im Südkreis. Das Gute: Die Helferin war von Beruf Kinderkrankenschwester und konnte der Familie zahlreiche Tipps und Hinweise geben. Während die Betreuung durch wellcome den Eltern sonst Zeit zum Durchatmen gibt, war das bei den Drillingen nicht der Fall: Vater, Mutter und die Helferin nutzten deren Besuche, um mit den Drillingen an einem Online-Kursus für Babymassage teilzunehmen.

Insgesamt wurden 2021 13 Familien mit 30 Kindern durch 15 ehrenamtliche Helferinnen unterstützt. Dabei leisteten die Helferinnen insgesamt 152 Betreuungsstunden. Für zwei wellcome-Familien konnte eine einmalige finanzielle Unterstützung über das Spendenprojekt der wellcome-gGmbH „Familien in Not“ beantragen werden. Die daraus erworbenen Gutscheine wurden für die Familien in einen Hochstuhl und in Babynahrung eingesetzt.

wellcome-Standorte sind auf Spenden angewiesen

Das Projekt wellcome ist nur zum Teil über öffentliche Zuschüsse des Kreises finanziert und auf jährliche Spenden in Höhe von etwa 3000 Euro angewiesen. Zudem zahlten sieben von 13 Familien auf Grund ihrer finanziellen Situation ein verringertes Entgelt. Die normale Gebühr beträgt fünf Euro pro Stunde. Dass Geld wird verwendet, um Fahrtkosten und Fortbildungen zu bezahlen. Neben zahlreichen Einzelspendern bewirbt sich das Projekt deshalb auch regelmäßig bei großen Spendenaktionen. Im vergangenen Jahr jedoch vergeblich: Im Juli hatte sich wellcome sich bei dem vom Land Schleswig Holstein initiierten Nachbarschaftspreis SH beworben, aber leider keinen Zuschlag erhalten. Bei einem Kontakt zu den Rotariern entstand die Idee, den Gewinn des Weihnachtsmarkterlöses an wellcome zu spenden. Auch das scheiterte, weil der Markt wegen der Corona-Pandemie ausfiel. Auch eine erneute Bewerbung im Dezember bei der Aktion Penny-Fördergelder brachte keinen Erfolg.

2022 wird für alle wellcome-Standorte ein ganz besonders Jahr: Vor 20 Jahren wurde die wellcome gGmbH in Hamburg durch Rose Volz-Schmidt gegründet. „Als ich selbst Mutter wurde, fehlte mir ein unterstützendes Netzwerk. Ich fühlte mich in dieser ersten Zeit mutterseelenallein: Mein Mann und ich waren aus Süddeutschland nach Hamburg gezogen, unsere Freunde kinderlos und berufstätig. Da half auch meine gute Ausbildung nichts“, erinnerte sich die Sozialpädagogin Volz-Schmidt anlässlich des 15-jährigen Bestehens an die Anfänge. Heute ist wellcome deutschlandweit an 231 Standorten vertreten. Es sind verschiedene Aktionen im ganzen Jahr für Ehrenamtliche und auch für Familien geplant.