Ratzeburg. Aktuell unterbleibt die Ahndung von Verstößen im Kreis, obwohl die 48.000 Euro teuren Messgeräte weiter “blitzen“.

Raser wird es freuen, besorgte Eltern, die um die Sicherheit ihrer Kinder vor Schulen oder Kitas fürchten, hingegen weniger: Momentan kann die Verkehrsaufsicht des Kreises Herzogtum Lauenburg auf den Straßen mit ihren drei Geschwindigkeitsmessgeräten zwar „blitzen“, aber nur zu statistischen Zwecken, etwa um „Raserstrecken“ zu lokalisieren. „Die Geräte sind nicht außer Betrieb, aber die Ahndung von Verstößen unterbleibt. Das sollte aber kein Freibrief für Geschwindigkeitsüberschreitungen sein“, mahnt Kreissprecher Tobias Frohnert.

Kreis Herzogtum Lauenburg will juristische Niederlagen vermeiden

Hintergrund sind Messungenauigkeiten, die der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt sowie Sachverständigen bei den Geräten des Herstellers Leivtec bei bestimmten Konstellationen aufgefallen sind – etwa wenn es im Innenraum des Fahrzeugs Reflektoren gibt.

Im März 2021 hatte das Unternehmen seine Kunden bundesweit darüber informiert. Zahlreiche Anwälte haben das Problem erkannt und Freisprüche für ihre „geblitzten“ Mandanten erreicht. Solche Niederlagen wollte der Kreis vermeiden und Rechtssicherheit schaffen.

139 Widersprüche gegen Bußgeldbescheide in einem Jahr

Denn dass auch Autofahrer im Kreis Herzogtum Lauenburg auf die Idee kommen würden, die Unzuverlässigkeit der Blitzgeräte zu thematisieren, ist nicht unwahrscheinlich. Im vergangenen Jahr landeten 139 Widersprüche gegen Bußgeldbescheide vor dem Amtsgericht. Die ansonsten funktionstüchtigen Blitzer sind bereits seit März dieses Jahres nicht mehr im Einsatz.

Das ist besonders ärgerlich, weil eines der drei Geräte erst eineinhalb Jahre alt ist. Knapp 48.000 Euro hatte das Leivtec XV3, vom Unternehmen als besonders „beweissicher“ beworben, damals gekostet. Das neue Gerät der Firma Vitronic kostet sogar knapp 70.000 Euro.

„Wir hatten gehofft, dass ein Update des Herstellers Abhilfe schaffen könnte“, sagt Frohnert. Das aber blieb bislang aus, und der Kreis hat deshalb das neue Vitronic-Gerät gekauft, das noch in diesem Jahr zum Einsatz kommen soll. Spätestens dann ist die Zeit der ungeahndeten Geschwindigkeitsüberschreitungen endgültig vorbei.

37.359 Autofahrer wurden 2020 im Kreis geblitzt

Allein im vergangenen Jahr wurden auf den Kreisstraßen 37.359 Schnellfahrer erwischt. Die meisten wurden in Lauenburg geblitzt. Die Mehrheit, insgesamt 34.607 Fahrer, hat die Geschwindigkeit bis zu 15 Stundenkilometer überschritten und ein Verwarngeld bis zu 50 Euro zahlen müssen. 2752 Fahrer aber haben noch mehr aufs Gaspedal gedrückt.

Neben dem Bußgeld kassierten sie auch Punkte in Flensburg. Rund 1,4 Millionen Euro kommen jedes Jahr bei den Geschwindigkeitskontrollen zusammen. Bis der neue Blitzer im Einsatz ist, herrscht auf den Straßen im Kreis aber trotzdem kein Wild-West. „Wir sind ja auch noch da“, sagt Jaqueline Fischer, Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg, die für die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg zuständig ist.

Raser haben keine freie Fahrt: Polizei blitzt auch

Die Information mit den ausgemusterten Blitzgeräten sei zwar neu für sie, jetzt aber werde sie den Kollegen vom sogenannten Technik-Trupp einen Tipp geben, sagt Fischer. Der Trupp mit bis zu fünf Beamten ist zum einen mit funktionstüchtigen und rechtssicheren ESO-Blitzgeräten ausgestattet und verfügt zum anderen noch über zwei Videowagen, mit denen die Polizisten den Rasern hinterherfahren und das Bußgeld sofort vollstrecken.

„An beweissicherer Technik hapert es bei uns nicht, eher am fehlenden Personal“, sagt Fischer. Zudem verfügen die Polizeistationen über drei „Laserpistolen“, die an Brennpunkten wie vor Schulen und Kitas zum Einsatz kommen – sofern die Einsatzlage auf den Revieren Kon­trollen zulässt.