Bad Oldesloe. Aggressive Autofahrer stehen im Zentrum der Überwachung, wenn die Polizei mit ihrem Videowagen auf Stormarns Autobahnen Streife fährt.

Äußerlich lässig, aber hochkonzentriert sitzt Polizeihauptmeister Tobias Gorny (53) hinter dem Steuer eines 5er-BMW, beobachtet mit seiner Kollegin, Polizeihauptkommissarin Anett Zimmer (39), mithilfe von zwei Kameras in Front und Heck den Verkehr. Einmal im Monat tauschen sie für eine Woche den auffälligen Streifenwagen der Autobahnpolizei gegen die serienmäßig aussehende dunkle Oberklasse-Limousine mit dem Rufnamen Stormarn 74-17, um Jagd auf Verkehrssünder zu machen.

„Dabei geht es uns besonders um Aggressionsdelikte wie überhöhte Geschwindigkeit, zu geringer Abstand und rechts Überholen“, sagt Gorny. Ihr Revier liegt zwischen Hamburg und Lübeck, umfasst die Autobahn 1, die A 20 von Mönkhagen bis Lüdersdorf, die A 21 ab Beginn in Hammoor bis Bad Segeberg und ein Teilstück der A 24.

Die Polizisten Anett Zimmer (l.) und Tobias Gorny
Die Polizisten Anett Zimmer (l.) und Tobias Gorny © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Die meisten Raser gehen ihnen am Nachmittag ins Netz. Denn: „Im dichten Berufsverkehr rast es sich nicht so gut“, erklärt Hauptkommissarin Zimmer. Typisches Klientel seien Geschäftsleute mit leistungsstarken Fahrzeugen. „Drei viertel sind Männer. Die diskutieren dann nicht lange und geben den Verstoß meistens gleich zu“, sagt sie. Die Automarke spiele dabei wider Erwarten nur eine untergeordnete Rolle.

Zu schnelles Fahren ist das häufigste Delikt

Häufigstes Delikt sei die Geschwindigkeitsüberschreitung, gefolgt von zu geringem Abstand. „Das sind Ordnungswidrigkeiten, die mit einem Bußgeld und gegebenenfalls Punkten in Flensburg geahndet werden“, sagt die Beamtin. Werde der Vordermann durch zu dichtes Auffahren zum Verlassen der Spur gedrängt, könnte das bereits eine Nötigung sein, ein Straftatbestand. Gorny: „Wir werten unsere Aufzeichnungen am Ende der Woche im Verkehrsüberwachungsdezernat in Neumünster aus, erst dann steht genau fest, welche Verstöße dem Fahrer vorgeworfen werden.“

Hier notieren die Beamten auf einem Rastplatz an der A 1 die Personalien eines Autofahrers,  der zu schnell
Hier notieren die Beamten auf einem Rastplatz an der A 1 die Personalien eines Autofahrers, der zu schnell © Michael Rauhe | Michael Rauhe

An diesem Sommertag passiert jedoch lange nichts, doch kaum fahren die Polizisten nach einer kurzen Tankpause wieder auf die Autobahn, da nähert sich auf dem Zubringer der A 1 auf die A 24 Richtung Schwerin ein Mercedes Sprinter von hinten. Mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit jagt er an den Beamten vorbei, überholt rechts und fährt Slalom um andere Verkehrsteilnehmer. Dabei wankt der mit Rostflecken übersäte Kleintransporter bedenklich.

Sofort schalten die Beamten die Kamera in den Aufnahme-Modus, dokumentieren mit dem im Wagen eingebauten geeichten Mess-Equipment das Fahrverhalten. Zimmer nimmt ein Mikro zur Hand, beschreibt das verfolgte Fahrzeug und spricht den genauen Ort auf Band.

Raser kann unter einer Brücke gestoppt werden

Wegen der Schwere der Verstöße entscheiden sich die Beamten, nicht länger zu dokumentieren, sondern einzuschreiten. Sie schalten das Martinshorn ein und setzen das Blaulicht erst hinter die Windschutzschreibe, dann aufs Dach. Im Heckfenster surrt ein Paneel mit der rotblinkenden Aufschrift „Polizei, folgen“, nach oben. Doch der Fahrer gibt sich unbeirrt, fährt dicht auf einen Lastwagen, verhindert so, dass sich die Polizisten vor ihn setzen können. Zimmer zeigt ihm nun zusätzlich die rote Seite der Polizeikelle, der Mann gestikuliert wild, will nicht glauben, gemeint zu sein. Erst jetzt reagiert er, verlässt die Autobahn und lässt sich unter einer Brücke stoppen.

Während Polizeihauptmeister Gorny die Szenerie absichert, Fahrer und vorbeirauschenden Verkehr immer im Blick, lässt sich Kollegin Anett Zimmer Personalausweis, Führerschein und Fahrzeugschein aushändigen, erklärt dem Fahrer, was ihm vorgeworfen wird. „Sie haben die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, rechts überholt und unser Haltezeichen missachtet“, sagt sie. Das Beweisvideo will er gar nicht erst sehen, nennt „Zeitdruck“ als Grund für seine Fahrweise. Der Transportunternehmer, der auf seinen Führerschein angewiesen ist, will es auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen. „Ich habe alles mit meiner Dashcam aufgezeichnet“, sagt er und zeigt auf eine hinter seiner Windschutzscheibe montierte Kamera. „Das war ein krasser Fall“, sagt Gorny und fährt zurück auf die Autobahn.

470.000 Kilometer hat der BMW der Polizei auf der Uhr

Wenig später fällt den Beamten in der Autobahnbaustelle zwischen Barsbüttel und Stapelfeld ein dunkelgrauer BMW X3 auf. Immer wieder ignoriert der Fahrer das Tempolimit von 60 Kilometer pro Stunde, lässt sich dann jedoch wieder zurückfallen. Nicht genug für die Beamten. „Wir müssen einen Verstoß über mindestens 300 Meter dokumentieren“, sagt Zimmer.

Auch Langsamfahrer können den Verkehr gefährden

Auch chronische Links- und Mittelspurfahrer können ein Problem sein. Während sich die Überwachung mit dem Videowagen auf Aggressionsdelikte konzen­triert, fallen diese eher normalen Streifen auf, so die Polizei. Ursache sei oft mangelnde Fahrerfahrung.

Auch ADAC-Sprecher Hans Duschl bestätigt: „Auf Autobahnen gilt das Rechtsfahrgebot. Wenn der überholte Verkehrsteilnehmer vollständig im Innenspiegel erscheint, muss wieder herübergefahren werden. Auf einer dreispurigen Autobahn darf die Mittelspur dauerhaft benutzt werden, wenn etwa alle 20 Sekunden überholt wird.

Ansonsten gilt: Wer das Rechtsfahrgebot verletzt und andere Autofahrer behindert, muss mit einem Bußgeld in Höhe von 80 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen.“ Autofahrer dürften durch einmaliges Antippen der Lichthupe den Überholwunsch signalisieren.

Ansonsten müsse Ruhe bewahrt werden, es dürfe nicht zu dicht aufgefahren oder rechts überholt werden. In besonders schweren Fällen könne Anzeige bei der Polizei erstattet werden.

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Ein Grenzfall ist auch das Verhalten eines Mannes in seinem dunkelgrauen Hyundai. Er fährt auf der A 21 auf Höhe Bad Oldesloe Richtung Norden, begnügt sich im freigegebenen Bereich mit Tempo 100, um dann im 120er-Bereich immer schneller zu werden, bis er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 Kilometer überschreitet. Die Beamten entscheiden, den Fahrer anzuhalten. „Ich war unter Zeitdruck, will in Hamburg ins Theater und habe eben erst gemerkt, dass ich in die falsche Richtung unterwegs bin“, sagt der offenbar etwas desorientierte ältere Herr. Ein eher kleiner Fisch.

Cabriolet beschleunigt auf 127 km/h im 80er-Bereich

Doch die Einsatzquote steigt jetzt. In kurzer Abfolge stoppen die Beamten nun einen Geschäftsmann in einem Ford-Van, der mit bis zu Tempo 168 im auf 120 Kilometer pro Stunde begrenzten Bereich auf Höhe Ahrensburg Richtung Norden fährt. Weil Polizeihauptmeister Gorny Alkoholgeruch im Wagen vernimmt, macht die Kollegin noch einen Atemalkohol-Test. Ergebnis jedoch: 0,0 Promille. Der Geschäftsmann ist nach eigenen Angaben 24.000 Kilometer in vier Monaten gefahren, habe ob der Fahrleistung „Schwein gehabt“, nicht öfter erwischt worden zu sein.

Auf der Fahrt Richtung Hamburg folgt auf der A 24 Richtung City der nächste Fall. Ein Mann in einem Saab Cabrio fährt mit geöffnetem Verdeck. Er erreicht auf dem Zubringer der A 1 auf die A 24 Richtung Innenstadt im 80er-Bereich bis zu 127 Kilometer pro Stunde. In Jenfeld gestoppt, ist er der erste, der sich das Video anschauen will. „Ich bin mit Tempomat gefahren, war in Gedanken“, sagt er. Angehalten worden sei er noch nie. Auch hier ist der Ton von Beamten und Autofahrer konziliant. „Wer zu uns nett ist, zu dem sind wir auch nett. Wir sind schließlich alle erwachsen“, sagt Zimmer.

Persönliches Gespräch bringe mehr als Knöllchen

Ein richtig dicker Fisch geht den Beamten dafür noch einmal kurz vor Dienstschluss ins Netz. Eine ältere Frau fährt in ihrem Hyundai-Geländewagen bereits in der Baustelle auf der A 1 Richtung Hamburg viel zu schnell, erreicht in der Tempo-80-Zone auf Höhe Öjendorf bis zu 171 Kilometer pro Stunde. Kaum angehalten sagt sie: „Ich fahre schnell, aber bisher immer unfallfrei.“ Sie wolle nur schleunig nach Hause, gibt zu, dass gegen sie schon einmal ein Fahrverbot verhängt wurde. Obwohl sie angibt, ihr Fahrverhalten nicht ändern zu wollen, darf sie zumindest vorerst weiterfahren.

 Teamwork: Während Polizeihauptmeister Tobias Gorny (l.) mit dem Fahrer spricht, sichert seine Kollegin Anett Zimmer die Situation
Teamwork: Während Polizeihauptmeister Tobias Gorny (l.) mit dem Fahrer spricht, sichert seine Kollegin Anett Zimmer die Situation © Michael Rauhe | Michael Rauhe

„So ist das leider meistens“, sagt Anett Zimmer. Denn obwohl der Videowagen aus Bad Oldesloe täglich im Einsatz ist und inzwischen mehr als 470.000 Kilometer auf der Uhr hat, „sollte der Überwachungsdruck viel höher sein“. Das persönliche Gespräch bringe viel mehr, als wenn nur ein Knöllchen nach Hause komme, so die Hauptkommissarin.