Schwarzenbek. Bürgervorsteher Rüdiger Jekubik äußert sich im Interview zum drohenden Wandel : „Kultur in Schwarzenbek darf nicht sterben“
Ab Sonnabend feiert Schwarzenbek das „Marktfest“ als eine Art „Stadtvergnügen light“ mit Bühne, Kinderaktionen und Gastronomie. Doch diese mit Sicherheit attraktive Veranstaltung ist das Resultat der staatlichen Kulturförderung als Folge der Corona-Pandemie. Das ist per se natürlich kein Nachteil, aber auch kein Garant für Kontinuität.
Denn das Stadtvergnügen wird seit vielen Jahren federführend vom Bürgerverein organisiert. Genauso wie das Maibaumfest, der Literaturherbst und in Kooperation mit Förderverein der Feuerwehr der Weihnachtsmarkt. Das alles wird es vermutlich in Zukunft nicht mehr geben, weil in zwei Wochen die Auflösung des Bürgervereins droht.
Wird es weiterhin kulturelle Veranstaltungen in Schwarzenbek geben?
Wie berichtet, will sich die Vorsitzende Ute Stimper gemeinsam mit dem restlichen Vorstand nicht wieder zur Wahl stellen, beziehungsweise die Posten niederlegen. Nachfolger sind nicht in Sicht, die Auflösung des traditionsreichen Vereins, der 1984 vom engagierten Bürger Manfred Schulz gegründet wurde, ist als logische Konsequenz ein Tagesordnungspunkt der Jahreshauptversammlung.
Die Stadt hat aber im kulturellen und bildungspolitischen Bereich noch zahlreiche andere Probleme, die dazu führen können, dass Schwarzenbek von einer aktiven und quirligen Kleinstadt zu einer reinen Schlafstadt mit günstigen Verkehrsanbindungen über zwei Bundesstraßen, die nahe gelegene A 24 und den Regionalexpress nach Hamburg mutiert. Über diese Probleme hat unsere Zeitung mit Bürgervorsteher Rüdiger Jekubik (60, SPD) gesprochen, der zugleich Vorsitzender des Sozial- und Kulturausschusses ist.
Herr Jekubik, ist die Kultur in Schwarzenbek noch zu retten?
Rüdiger Jekubik: Das ist eine schwierige, aber auch sehr wichtige Frage. Kultur ist identitätsstiftend für eine Stadt und schafft ein Wir-Gefühl. Deshalb darf die Kultur in Schwarzenbek auch nicht sterben. Denn sonst laufen wir wirklich die Gefahr, dass Schwarzenbek sich mit den großen Wohngebieten am Rand zu einer reinen Schlafstadt mit günstiger Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur zurückentwickelt. Das wäre schade. Aber wir haben ehrlich gesagt auch nicht allzu viele Gestaltungsmöglichkeiten.
Viele Veranstaltungen werden durch ehrenamtliches Engagement getragen, wie durch den Bürgerverein. Es ist eine allgemeine Tendenz, dass Menschen gerne kulturelle Angebote oder Veranstaltungen besuchen, aber nicht mehr bereit sind, selbst in der Organisation aktiv zu werden. Das ist traurig, aber ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, den wir nicht ändern können. Ex-Bürgermeister Frank Ruppert hat versucht, den DHB Netzwerk Haushalt (ehemals Deutscher Hausfrauenbund, Anm. d. Red.), der viele Vorträge organisiert hatte, zu retten, indem er selbst den Vorsitz übernahm. Das hat auch nicht langfristig funktioniert. Der Verein hat sich mittlerweile aufgelöst, weil sich kein neuer Vorstand fand.
Natürlich kann Politik nicht auf ehrenamtliches Engagement einwirken, aber sie kann Rahmenbedingen schaffen, damit Veranstaltungen möglich sind. Was tut die Stadt in diesem Bereich?
Auch hier sind die Möglichkeiten leider begrenzt. Es gibt beispielsweise Gespräche mit den Veranstaltern der Aral-Open, die nächstes Jahr wieder loslegen wollen (Drei statt der üblichen fünf Konzerte sind geplant, Anm. d. Red.). Aber auch dort sind Aussagen schwierig, weil wir jetzt noch gar nicht abschätzen können, welche Hygienevorschriften und Regelungen hinsichtlich der Corona-Pandemie im Frühjahr/Sommer 2022 gelten. Ansonsten können wie natürlich helfen, wenn es um die Freigabe von Plätzen und Räumen oder aber auch um erforderliche Straßensperrungen geht.
Ein Problem sind die mangelnden Veranstaltungsräume. Die Alte Meierei mit ihrem großen Saal ist weggefallen. Das Amtsrichterhaus steht nur begrenzt und für kleinere Personengruppen zur Verfügung. Der Festsaal ist ebenfalls für größere Veranstaltungen gesperrt.
Das stimmt leider. Einfluss haben wir nur auf den Festsaal und der bleibt bis zum Jahresende für größere Veranstaltungen gesperrt. So lange wird es dauern, bis der durch eine Begehung festgestellte Sicherheitsmangel beseitigt ist und die Fluchttür zur Freitreppe verbreitert wird. Allerdings lässt sich noch nicht abschätzen, wie viele Teilnehmer künftig maximal in den Saal dürfen.
Außerdem können wir das Foyer nicht mehr als Ort für Festivitäten, wie den Empfang nach dem Wirtschaftspreis oder der Sportlerehrung nutzen, weil die Tische Fluchtwege blockieren. Deshalb ist auch unklar, inwieweit sich künftige Theateraufführungen im Rathaus weiter rechnen. Ein Zuschussgeschäft ist Kultur sowieso, aber die Wirtschaftlichkeit wird durch geringere Zuschauerzahlen möglicherweise ganz in Frage gestellt.
Aktuell gibt es die Diskussion um das Amtsrichterhaus. Die Stadt organisiert dort ein Programm, aber die verantwortliche Mitarbeiterin geht zum Jahresende in Rente. Ein überparteilicher Arbeitskreis empfiehlt einen Kulturmanager. Kommt das zustande?
Kulturmanager ist ein großes Wort. Wir müssen das sehen, weil die Stadt kein Geld hat. Die frei werdende Teilzeitstelle wird wieder besetzt, eine Aufwertung auf mehr Wochenarbeitszeit wäre wünschenswert und sinnvoll, aber darüber müssen wir erst einmal in den politischen Gremien beraten. Lauenburg und Büchen haben mit Andy Darm und Dr. Heinz Bohlmann Experten, die sich um kulturelle Veranstaltungen kümmern. Möglicherweise sollten wir über eine Kooperation nachdenken und kulturelle Veranstaltungen für die gesamte Region konzipieren. Das könnte ein Weg sein. Im Bereich der IT haben wir ja auch eine sehr erfolgreiche Kooperation mit den Umlandgemeinden, die von uns aus mit betreut werden. Warum sollte das bei der Kultur nicht umgekehrt auch möglich sein? Die aktuell von uns angebotenen Veranstaltungen im Amtsrichterhaus waren alle ausverkauft. Das zeigt uns, wie gut das Haus als Kulturstätte angenommen wird und wie groß der Bedarf der Menschen an kulturellen Angeboten ist.
Zu den Veranstaltungen, die wegbrechen zählen auch die verkaufsoffenen Sonntage, die in der Vergangenheit mit einem abwechslungsreichen Veranstaltungsprogramm und Volksfestcharakter begleitet waren. Ist das ein Verlust?
In jedem Fall. Aber da sind uns die Hände gebunden. Die Einzelhändler sind Unternehmer. Wenn sie sagen, dass sich das für sie nicht mehr rentiert, müssen wir das akzeptieren. Aber schade ist es in jedem Fall, weil die Veranstaltungen immer viele Menschen in die Stadt gelockt haben.
Es ist nicht nur der Bürgerverein, bei dem ein Aus bevorsteht. Auch beim Verein Volkshochschule kriselt es, weil der Vorsitzende Peter Klemmer seit vielen Jahren einen Nachfolger sucht, aber keinen findet.
Das stimmt. Herr Klemmer ist mittlerweile 82 Jahre alt und würde nach 25 Jahren als Vorsitzender gerne aufhören. Das ist kein akutes Problem, weil derzeit keine Neuwahl ansteht und Herr Klemmer sehr agil ist. Aber perspektivisch können wir da ein Problem bekommen. Denn auch Erwachsenenbildung ist neben Kultur ein wichtiger Standortfaktor und zudem in der Landesverfassung verankert.
Das ist ein wichtiges Angebot, deshalb tragen wir das wachsende Defizit. Neben den 28.000 Euro Mietkosten tragen wir aktuell das Defizit in Höhe von 50.000 Euro. Sollte der Trägerverein wegfallen, müssen wir eine Lösung suchen, um dieses Angebot aufrecht zu erhalten. Auch hier könnte eine Kooperation mit Volkshochschulen im Umland eine Lösung sein. Das ist aber zum Glück noch nicht aktuell.