Schwarzenbek. Die Arbeit verteilt sich auf immer weniger Schultern und die an der Spitze wollen nicht mehr. Der Bürgerverein will sich auflösen.
Maibaumfest, Stadtvergnügen, Weihnachtsmarkt, Literaturherbst, die Verkehrssicherheitsaktion mit den Street-Buddies, also Kinderfiguren, die zum langsam fahren mahnen: Die Liste der Aktivitäten des Bürgervereins Schwarzenbek ist lang. Das gesellschaftliche Leben der Stadt wird seit Jahrzehnten wesentlich durch den 1984 gegründeten Verein geprägt.
Doch das dürfte schon bald Geschichte sein. Denn der gesamte Vorstand um die Vorsitzende Ute Stimper und ihren Stellvertreter Andreas Militzer tritt bei der Jahreshauptversammlung am Freitag, 17. September, nicht mehr an. Und ohne Vorstand ist das Ende des Vereins besiegelt.
Ohne Vorstand steht der Verein vor dem Aus
„Ich finde niemanden, der mit anpacken will oder kann. Es sind immer die gleichen wenigen Leute, die sich engagieren. Alleine kann ich nichts bewegen“, sagt die Vorsitzende Ute Stimper, die seit elf Jahren im Amt ist und gerade im März 2020 kurz vor dem ersten Lockdown für eine sechste Amtszeit gewählt worden war.
Ein Problem ist unter anderem der hohe Altersdurchschnitt, der deutlich oberhalb von 60, vermutlich sogar bei 70 Jahren liegt. „Gerade beim Stadtvergnügen oder dem Maibaumfest muss auch körperlich angepackt werden. Das kann man unmöglich von Mitgliedern verlangen, die den Renteneintritt lange hinter sich haben“, so die gelernte Krankenschwester.
2022 scheiterte eine Hilfsaktion für ältere und alleinstehende Menschen
Seit mehr als einem Jahr ruhen die Aktivitäten des Vereins ohnehin praktisch komplett. „Wir wollten im vergangenen Jahr eine Hilfsaktion für ältere und alleinstehende Menschen starten, bei der wir einen Bringservice für Lebensmittel und andere Besorgungen organisieren wollten. Das scheiterte, weil kaum jemand mitmachen wollte“, nennt die Vorsitzende ein Beispiel für die wachsenden Probleme. Die Mitglieder werden nicht nur älter, sondern auch weniger. Waren es 2020 noch 300 so sind es jetzt 250.
Deshalb zieht sie gemeinsam mit dem restlichen Vorstand die Konsequenz. Der Gesamtvorstand stellt seine Ämter zur Verfügung, obwohl beispielsweise Ute Stimpers Wahlzeit noch bis 2022 laufen würde. Vorschläge für Nachfolger gibt es nicht und die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand meldet, schätzt Ute Stimper als eher gering ein.
Auflösung des Vereins steht auf der Tagesordnung
Aus diesem Grund ist neben den üblichen Regularien wie Aussprache, Ehrungen und den Berichten des Vorstands ein Tagesordnungspunkt vorgesehen, der besonders brisant ist. Unter Top 8 heißt es „Beschlussfassung zur Auflösung des Vereins“.
„Wir haben lange versucht, den Verein zu verjüngen. Es klappte nicht. Die bevorstehende Auflösung tut mir in der Seele weh, aber ich sehe keine Alternative“, sagt die Vereinsvorsitzende, die die Aktivitäten maßgeblich geprägt hat. Das Maibaumfest und den Weihnachtsmarkt gab es schon seit 1987.
Stadtvergnügen und Literaturherbst waren wichtige Neuerungen
Unter der Regie von Ute Stimper ist vor rund zehn Jahren das Stadtvergnügen entstanden, dass alle zwei Jahre stattfindet und immer größer wurde. Auch der Literaturherbst mit Lesungen von Persönlichkeiten aus dem Ort und Autoren aus der Region hat sich zu einem kulturellen Highlight entwickelt.
Überörtliche Beachtung findet auch die Verkehrssicherheitsaktion mit den Street-Buddies. Die lebensgroßen, bunt bemalten Kinderfiguren stehen an vielen Straßenrändern und appellieren ans Langsamfahren. Die Figuren werden von Menschen mit Behinderungen in der Louisenhof gGmbH hergestellt und von Sponsoren bezahlt.
Unter dem Motto „Einmischen, mitmischen, zusammenführen“ gegründet
Die Versammlung des Bürgervereins beginnt am Freitag, 17. September, um 19 Uhr in Schröders Hotel an der Compestraße. Es gilt die 3G-Regel für den Zutritt.
Unter dem Motto „Einmischen, mitmischen, zusammenführen“ hat Manfred Schulz den Bürgerverein 1984 gegründet und bis 2000 geleitet. Der Verein entstand wegen der Proteste gegen das tägliche Verkehrschaos vor den Bahnschranken und führte zum Bau der Europabrücke und des Zubringer Nord.
Kommentar von Stefan Huhndorf, Redakteur
Traurige Entwicklung
Die Dinge ändern sich und mitunter ist der Wandel einfach nur traurig. Als ich vor 14 Jahren die Redakteursstelle unserer Zeitung in Schwarzenbek übernahm, war ich skeptisch, was mich erwartet – obwohl ich eigentlich gleich um die Ecke wohne. Ich kam in eine lebenswerte Stadt mit einem regen Vereinsleben und vielen gesellschaftlichen Anlässen, die mich mit offenen Armen empfangen hat.
Umso dramatischer ist die Entwicklung der vergangenen Jahre, die mit Sicherheit auch durch die Lockdowns wegen der Corona-Pandemie beschleunigt wurde. Für viele Aktivitäten waren Einzelpersonen die treibenden Kräfte, die andere mitgezogen haben. Aber es wurde immer einsamer um die Vereinsspitzen, weil sich immer weniger Mitglieder fanden, die bei Veranstaltungen mithelfen wollten. Vorstände gaben auf, starben oder zogen weg.
Der Wegfall von Veranstaltungsräumen wie der Alten Meierei oder auch jetzt zumindest temporär des Festsaals im Rathaus machen die Situation nicht einfacher. Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen und in der Gesellschaft gibt es immer weniger Menschen, die sich engagieren. Das ist einfach traurig.